Hamelner Sportschützen vor Gericht

Prozess Schützenfunktionäre sollen Waffenbesitzkarten im großen Stil verhökert haben

HANNOVER dpa | Wegen illegaler Geschäfte mit Waffenbesitzkarten müssen sich drei ehemalige Vorstandsmitglieder eines Hamelner Schützenvereins vor dem Landgericht Hannover verantworten. Den 39 bis 59 Jahre alten Männern wird Bestechlichkeit im besonders schweren Fall vorgeworfen. Drei weitere Sportschützen müssen sich seit Montag wegen Beihilfe verantworten.

Allein der 59-jährige Ehrenpräsident und Kassenwart soll insgesamt 74.000 Euro eingenommen haben. Der Gastronom Vincenzo B. sitzt wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft, die anderen sind auf freiem Fuß. Bei einer Verurteilung drohen den Hauptangeklagten bis zu zehn Jahre Haft.

Zwischen Mai 2013 und Mai 2016 soll Vincenzo B. gemeinsam mit dem damaligen Vereinspräsidenten – einem Rechtsanwalt – in 53 Fällen Menschen zu Unrecht Waffenbesitzkarten verschafft haben. In 35 Fällen war laut Anklage der 39-jährige ehemalige zweite Vorsitzende beteiligt, dem zudem ein Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen wird, weil er seine erlaubnispflichtigen Pistolen und Revolver zu Hause nicht ordnungsgemäß verwahrte.

Der Ehrenpräsident soll in der Regel 1.560 Euro von einem Anwärter kassiert haben. Dafür wurde den Interessenten vom „Schießsportverein Hameln 2000 e. V.“ ein Sachkundenachweis ausgestellt, mit dem sie Besitzkarten für großkalibrige Waffen erwerben konnten.

Nach Auskunft eines Gerichtssprechers hatte die Waffenbehörde die Ermittlungen ins Rollen gebracht. Der Hamelner Schützenverein hatte nicht einmal eine eigene Schießanlage, dennoch wurden dort immer mehr Erlaubnisse erteilt. „Das erschien irgendwann nicht mehr plausibel“, sagte der Sprecher. Mit Hilfe eines verdeckten Ermittlers kam die Polizei den illegalen Geschäften der Hobbyschützen auf die Spur. Im Mai gab es Durchsuchungen in sechs Bundesländern.

Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelte insgesamt gegen 100 Beschuldigte. Die Männer und Frauen, die die Amtsträger des Vereins bestochen haben sollen, erwarten gesonderte Gerichtsverfahren. Warum sie sich auf das dubiose Geschäft einließen, blieb am ersten Prozesstag in Hannover unklar. Die Sitzung wurde nach der rund einstündigen Verlesung der umfangreichen Anklage beendet.