Doppeltes Bämm!

SuperBowl Die Footballer der New England Patriots gewinnen ein sensationelles Finale, das auch zur trumpistischen Show wird

Trotz eines 3:28-Rückstands nicht zu entmutigen: James White (l.) von den Patriots lässt sich bei der Aufholjagd von niemandem aufhalten Foto: dpa

Von Markus Völker

Wer sich nicht nur rund ums Ei auskennt, sondern auch im Spiel mit dem runden Ball, der musste unweigerlich an dieses Finale in der Champions League 2005 denken. Der AC Mailand liegt zur Halbzeit 3:0 vorn gegen den FC Liverpool. Aber nach 90 Minuten steht es 3:3. Bämm! Im Elfmeterschießen gewinnen die Reds. Hernach wurde in pathostriefenden Worten über das Mirakel im Atatürk-Olympia-Stadion geschrieben: „Rotes Wunder am Bosporus.“

Der Superbowl zwischen den New England Patriots und den Atlanta Falcons von Sonntagnacht lässt die Pathosmaschinerie, deren Schmieröl der Superlativ ist, noch hochtouriger laufen, denn wie das Ostküstenteam um Quarterback Tom Brady ins Spiel zurückgefunden hat nach einem 3:28-Rückstand, das war in der Tat „historisch“, „sensationell“ oder eben „episch“, wie so ziemlich jeder Football-Reporter hernach ergriffen stammelte. Brady, der nun zum fünften Mal dieses Endspiel mit den Patriots gewonnen hat, führte sein Team in der Verlängerung zum Sieg: 34:28. Doppeltes Bämm!

Und da dieser uramerikanische Raufsport nicht nur ein Sportevent ist, vielleicht das größte weltweit, sondern auch ein Fest der Selbstvergewisserung einer Supermacht, eines Landes, das sich im Würgegriff des 45. Präsidenten befindet und in dem mittlerweile jeder Ballwurf eine politische Bedeutung hat, musste die Welt nicht lange auf einen Football-Tweet von Donald Trump warten. „Welch ein großartiges Comeback und welch ein Sieg der Patriots“, tippte Trump: „Tom Brady, Bob Kraft und Coach B sind wahre Sieger. Wow!“ Vorher hatte er ihnen in Versalien den hinlänglich bekannten Auftrag mitgegeben: „MAKE AMERICA GREAT AGAIN!“ Mehr Politisierung eines Sportevents geht kaum.

Trumps Vereinnahmung des Sieges ärgert nicht nur viele Fans der Falcons, sondern es verärgert auch das liberale Amerika, dabei war schon vorher klar, dass Trump – Achtung Doppeldeutigkeit! – ein glühender Patriot ist. Quarterback Tom Brady ist genauso ein Anhänger von Trump wie der Eigner der New England Patriots, Robert Kraft, und Trainer Bill Belichick, kurz Coach B. Milliardär Kraft, eigentlich ein Demokrat, ist mit Trump befreundet. Weil dieser sich im Jahr nach dem Tod von Krafts Frau angeblich rührend um ihn kümmerte, preist der Unternehmer nun seine protektionistische Wirtschaftspolitik.

Nicht Trump selbst, sondern nur sein Vize Mike Pence saß im Stadion von Houston; er freute sich gewiss über diese letztlich durch und durch trumpistische Show mit US-Soldaten, die sich zum Fahnenappell aufreihten, dem Verteidigungsministerium als Sponsor, der über fünf Millionen Dollar an die National Football League (NFL) spendete, und einer Fliegerstaffel, die übers Stadion donnerte.

Gut möglich, dass Donald Trump sich trotz all des ­nationalistisch-militaristischen Schmonzes die Halbzeitshow von Houston nicht angeschaut hat. Denn es war ja davon auszugehen, dass Lady Gaga eine missliebige Botschaft an die Trumpisten richtet. Und dann stand die Sängerin also ganz oben im Stadion auf einer Mauer in luftiger Höhe, gab Auszüge aus Irving Berlins „God Bless America“ und des Woody-Guthrie-Klassikers „This Land is Your Land“ zum Besten, um sodann zu deklamieren: „One Nation and Justice for All.“ Es folgte ein tiefer – aber abgesicherter – Sturz in die Tiefe.

Unten angekommen, hatte sie noch eine Botschaft an eine Komparsin: „Bitte, bleib hier!“ Damit kommentierte die bisexuelle Künstlerin, die sich als „Mutter der Monster“ für Randgruppen starkmacht, sich aber auch mal für einen Auftritt 1,77 Millionen Euro vom aserbaidschanischen Autokraten Alijew auszahlen lässt, wohl indirekt Trumps Muslim-Einreisestopp.

Aber zurück zum Spiel. Die Atlanta Falcons und deren als bester Spieler der Saison ausgezeichneter Ballwerfer Matt Ryan machten bis zu Minute 45 eigentlich alles richtig. Ryans Pässe kamen an. Das Laufspiel, angeführt von Devonta Freeman, funktionierte prächtig. Schnell stand es 21:0. Der große Tom Brady zeigte erstaunliche Schwächen, verschuldete sogar eine Interception, die zum Touchdown für den Gegner führte, während sein Gegenüber in der ersten Hälfte mit dem perfekten Quarterback-Rating von 158,3 überzeugte. Doch in der Halbzeit schwor sich das erfolgsverwöhnte Team aus Foxborough,Massachusetts, das Comeback schlechthin in der Geschichte des Superbowl hinzulegen. Bislang konnte nur ein Rückstand von zehn Punkten im Finale der NFL wettgemacht werden.

Brady selbst hatte in seiner Karriere nur einmal 24 Punkte aufgeholt. Und jetzt 25? Hm, extrem schwierig. Aber seine Pässe wurden genauer. Das Momentum kippte. Ryan schwächelte. Das Unglaubliche passierte. Ausgleich in der letzten Minute und Sieg durch Touchdown in der Verlängerung: Tom Brady mutierte wieder zum Superhelden. Der Gegenspieler des Superhelden, NFL-Boss Roger Goodell, der Brady im Zuge des Deflategate-Skandals – es ging um den Luftdruck von Bällen – gesperrt hatte, wurde bei der Übergabe der Trophäe im Stadion ausgepfiffen. Noch so ein Sieg.

Es ist klar, was Trump von Goodell hält. Er sei ein „Trottel“, der das Spiel verweichliche. Nun ja, was bleibt also für die Footballgemeinde der Anti-Trumpisten? Nur die Erinnerung an Trumps Football-Desaster in den 80ern, als er seine United States Football League (USFL) mit Schmackes gegen den Baum fuhr. Wir haben verstanden: „Win-win ist nur was für Pussys.“