SZ will mehr Recherche: Exklusives aus Fürstenfeldbruck

Die Süddeutsche Zeitung produziert ihre Lokalteile ab sofort in einem zentralen Ressort. Das hehre Ziel: Doppelstrukturen abbauen, mehr Zeit für Recherche schaffen.

Mariakirche im Zisterzienserkloster Fürstenfeld bei Fürstenfeldbruck. Bild: Alle Caulfield – Lizenz: CC-BY

Am Newsdesk im 16. Stock kleben noch kleine rosa Zettel auf den Bildschirmen – mit Namen darauf, damit die Redakteure ihre neuen Arbeitsplätze finden. Eine Etage darüber sitzt Ressortleiter Christian Krügel zwischen Umzugskartons und einem leeren Regal und spricht selbstbewusste Sätze, wie man sie bei der Süddeutschen Zeitung schon lange nicht mehr gehört hat. "Die Kollegen werden sich die Augen reiben", sagt er. "Wir haben den festen Wunsch, der Stadt die Zeitung zu geben, die sie verdient."

Heute startet die SZ das wohl gewagteste Projekt ihrer jüngeren Geschichte. Seit diesem Montag werden sämtliche Regional- und Lokalinhalte zentral produziert, von einem neu geschaffenen Großressort mit über 100 Mitarbeitern. Der seit der Übernahme durch die Südwestdeutsche Medienholding sonst so sparsame Verlag hat nach Angaben von SZ-Chefredakteur Hans Werner Kilz über 1,5 Millionen Euro in das neue Regionalkonzept gesteckt. Das Ziel: Die größte überregionale Qualitätszeitung des Landes soll endlich auch wieder auf ihrem Heimatmarkt Erfolg haben.

Deutschlandweit gewinnt die SZ seit Jahren stabil an Lesern. In ihrer Heimat, im Münchner Umland verliert sie. In den vergangenen zehn Jahren büßte die Süddeutsche allein im Landkreis Ebersberg östlich von München 1.000 von 7.800 Abonnenten ein. In Freising, waren es gar 1.200 von 5.800. Vergeblich versucht die SZ mit eigenen Regionalteilen, vor Ort den hausbackenen Heimatblättern des Münchner Merkurs Konkurrenz zu machen. Doch die Krisen und Sparprogramme der vergangenen Jahre trafen die eh schon dünn besetzten Außenredaktionen besonders hart. Die Redakteure kamen kaum mehr zum Recherchieren, sie waren genug damit beschäftigt, ihre Seiten füllen. Den Schreibtisch für Termine zu verlassen war erst recht undenkbar. Besser und erfolgreicher wurden die Regionalausgaben so nicht.

Und der Verlag sparte weiter. Als im März 14 Redakteuren gekündigt wurde, fielen laut Betriebsrat allein in den regionalen Ressorts 8 Stellen weg. Von da an sei ein vernünftiges Arbeiten eigentlich kaum mehr möglich gewesen, sagt eine Redakteurin. Als zeitgleich das neue Regionalkonzept geplant wurde, schien für viele SZ-Mitarbeiter klar: Es droht ein neues Sparkonzept.

"Es ist ein journalistisches Konzept, das fiel nur sehr unglücklich mit der Spardebatte zusammen", sagt dagegen Christian Krügel. Er war bislang Chef vom Dienst der SZ und hat das Regionalkonzept mit einer Arbeitsgruppe entwickelt. Jetzt leitet er das neue Ressort. Die Idee für das Konzept sei schon Jahre alt. Man wolle "Doppelstrukturen abbauen" und damit den Lokal- und Regionalredakteuren wieder mehr Zeit für die journalistische Arbeit, zum Recherchieren, geben. Krügel erklärt: "Wir wollen die Kollegen vom Zwang befreien, jeden Tag eine ganze Zeitung zu machen."

Bislang produzierten die Ressorts Bayern, München und die jeweiligen Regionalredaktionen im Umland je ein eigenes Zeitungsbuch. Seit heute gibt es nur noch einen Regionalteil. Der sieht dafür in jeder Region anders aus. Allein für Stadt und Landkreis München produziert der Newsdesk vier verschiedene Ausgaben, sieben für die Landkreise im Umland, eine für den Rest Bayerns. Auf der ersten Seite stehen die Nachrichten aus dem eigenen Kreis, weiter hinten die Artikel aus dem Rest Bayerns. Es gibt Platz für ein tagesaktuelles Schwerpunktthema aus der Region und eine lokale Leute-Seite. Der Newsdesk soll eng mit der Onlineredaktion verzahnt werden. Regionale Themen gab es dort bis jetzt kaum.

Wirkten die Umland-Lokalteile mit ihrem engen, kleinteiligen Layout bisher wie ein Fremdkörper in der SZ, kommen nun auch die Artikel aus Fürstenfeldbruck gediegen in den gleichen breiten Spalten daher wie die Innenpolitikberichte. Arbeiteten die SZ-Journalisten im Umland, abgesehen von Telefonkonferenzen, ohne großen Austausch mit dem Haupthaus vor sich hin, sitzt nun zur besseren Kommunikation von jeder Umlandredaktion ein Redakteur gleich wenige Meter neben dem Newsdesk. Zuletzt galten die Landkreisausgaben als aussichtsreichste Opfer kommender Sparwellen. Nun sagt Ressortleiter Krügel: "Unser Konzept basiert darauf, die Landkreisausgaben so zu integrieren, dass man sie gar nicht mehr zumachen kann."

Sogar hochrangige SZ-Redakteure sind freiwillig in das neue Regionalressort gewechselt, etwa Innenpolitikvizechef Peter Fahrenholz und Wirtschaftsressortleiter Ulrich Schäfer. Sie sollen helfen, die ehrgeizigen Ziele des scheidenden Chefredakteurs Kilz umzusetzen. Der wünscht sich von nun an auch aus so beschaulichen Ecken wie Fürstenfeldbruck und Bad Tölz hochwertige Exklusivgeschichten. Das sei eine Chance für die Kollegen, sagt Krügel. In den vergangenen Jahren sei dafür nicht die Personaldecke da gewesen.

Zumindest drohen wohl keine neuen Sparorgien, die die Pläne zunichtemachen würden. Nach einem Minus von schätzungsweise 10 Millionen Euro im letzten Jahr versprach Kilz vor wenigen Wochen, die SZ werde 2010 schwarze Zahlen schreiben. Geschäftsführer Detlef Haaks wollte nicht mit der taz reden, lässt aber von seiner Sekretärin ausrichten: Er sehe die wirtschaftliche Lage genauso wie Kilz.

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