„Im Sommer sind wir tot“

österreich Austria Salzburg war einmal Vorbild: ein Fanclub gegen RedBull. Doch nun gibt es Niederlagen, leere Ränge und Schulden

Keine Flügel geliehen: Austria-Salzburg-Fans bei einem Testspiel gegen 1860 München, Januar 2016 Foto: imago

aus Salzburg Alina Schwermer

Alexander Hütter ist in diesen Tagen nicht zu beneiden. Seit fast einem Jahr sucht er erfolglos jemanden, der ihm sein Amt abnimmt. Es gäbe eine Position als Obmann bei Austria Salzburg zu verschenken. „Jetzt ist die Phase des geprügelten Hundes“, so nennt es Hütter. Der Österreicher, einst Pressesprecher, jetzt Interims-Obmann von Austria Salzburg, kämpft um das Überleben seines Klubs. „Die Freude ist schon seit November 2015 abhanden gekommen.“

Austria Salzburg, vor zwölf Jahren von Fans als Protest gegen die Übernahme der alten Austria durch RedBull neu ins Leben gerufen, war einmal eine der erfolgreichsten Protestgründungen im europäischen Fußball. Von ganz unten marschierte man sensationell bis in die Zweite Liga. Doch dann folgte der sportliche und finanzielle Fall.

„Nach meinem Gefühl ist der Verein im Sommer tot“, sagt Ex-Trainer Didi Emich, der im Frühjahr entlassen wurde. „Ich habe monatelang kein Geld gesehen, und ich habe schon wenig verlangt.“ Im November 2015, während der ersten Zweitligasaison, wurde bekannt, dass der Klub sich wirtschaftlich übernommen hatte. „Der größte Fehler war der Aufstieg“, sagt Alexander Hütter heute. „Es gab niemanden, der gesagt hat: Stopp, das wird nicht aufgehen. Das war auch schwierig, weil diese totale Euphorie da war.“

Die Austria sollte zurück zu alter Größe; vor allem wollte man es dem verhassten RedBull-Konzern zeigen. Aber die Anforderungen der neuen Liga waren für den kleinen Klub kaum zu stemmen. Der Stadionbau wurde zum Geldgrab: Von geplanten 1,4 Millionen Euro stiegen die Kosten auf 2,2 Millionen. Hinzu kamen ein viel zu teurer 28-Mann-Kader und die schlechte Angewohnheit, Einnahmen der kommenden Saison schon in der jeweils aktuellen zu verpulvern.

Der Zusammenbruch des Fanvereins hatte also eigentlich nicht so sehr mit Fans zu tun. Eher mit der im Amateurfußball häufigen Kombination aus sich überschätzenden Halbprofis im Vorstand, fehlenden Sponsoren für kleine Vereine und Erfolgsdruck. Vielleicht ist man eine Zeit lang sogar zu wenig Fanverein. „Die Zweite Liga war eine geile Zeit, aber wir werden jahrelang dafür büßen“, sagt Alexander Hütter.

Austria Salzburg fällt im Domino-Stil: Insolvenzverfahren und Sanierungsplan, Zwangsabstieg aus der Zweiten Liga. Jetzt droht der nächste Abstieg, außerdem müssen noch zwei Ratenzahlungen von je 70.000 Euro beglichen werden. Hütter hält die Fahne hoch: „Ich bin positiver Überzeugung, dass es sich auch dieses Mal ausgeht.“

Vor allem die Spenden der hingebungsvollen Mitglieder sind ein Bonus, der das Überleben und viel Fan-Dialog sichert. Aber auch einer, der Konfliktpotenzial birgt. „Es hat nie so funktioniert, dass sich die Fanclubs unter das große Ganze unterordnen“, sagt Ex-Trainer Emich. „Sie sagen: Wir sind die Gralshüter, weil wir den Verein nicht vor die Hunde gehen lassen. Wenn du dich nicht verhältst, wie von den Fans gewünscht, bist du eine Persona non grata.“ Das führe den Demokratiegedanken ins Absurde.

„Der Fehler war der Aufstieg. Niemand hat Stopp gesagt“

Alexander Hütter, Austria-Obmann

Emich, der als Spieler bei der alten und als Trainer zweimal bei der neuen Austria war und sich dem Verein sehr verbunden fühlt, geriet mit der Szene in Streit, vor allem über Pyrotechnik und Bierbecherwürfe. „Das kostet jedes Mal tausend Euro“, so Emich. „Wie blöd ist denn das, wenn ich als Vereinsmitglied weiß, dass der Verein sowieso knapp dran ist?“ Der Vorstand habe es nie gewagt, sich den Gruppen entgegenzustellen.

„Was die Fans gespendet haben, war sehr viel höher als die Strafen“, sagt Obmann Hütter. „Dann verzeiht man ihnen ein bisschen mehr, weil die generelle Unterstützung noch so groß ist.“ Hütter will den Club wieder fanfreundlicher machen, nachdem es in der Zweitligaphase wenig Transparenz gab. „Es ist ganz klar, dass wir uns viele Sympathien verspielt haben.“ 900 Leute kommen im Schnitt noch zu den Spielen; in der Vorsaison waren es 1.400. Das liege auch am Image, glaubt Didi Emich. „In Salzburg findet leider nicht mehr jeder Austria gut. Du hörst immer nur von Schlägern. Hinter einer Austria, wo es halbwegs gesittet zugeht, stünden zehntausend Leute.“ Man müsse wieder die Massen begeistern. Im Vorstand aber kommt er damit nicht durch. „Die Idee, die Massen zu begeistern, kommt in der total falschen Situation“, so Hütter.

Er will vor allem sichern, dass es irgendwie weitergeht. Aktuell fehlen der Austria ein neuer Cheftrainer, ein sportlicher Leiter und ein Obmann. Erst Überleben, dann Selbstsuche. „Das hier muss man überstehen“, sagt Hütter. „Bis man wieder eine neue Welle der Begeisterung auslösen kann.“ Und sich fragen muss, wen man begeistern will.