Nach dem großen Turnen

BILANZ Hunderttausende Besucher kamen zum Turnfest, 80.000 aktive Sportler nahmen daran teil – ein Erfolg. Trotzdem soll sich in Zukunft einiges ändern

Nach einer Woche voller Salti und Slackline und Schlafsäcken in Schulräumen (viele Schlafsäcke, viele Schulräume), nach der Anschaffung von vier Tonnen Butter, 1.000 Matten und nicht ganz so vielen Kästen (250 Stück), nach Rope Skipping und Wertungsmusizieren, nach insgesamt 400 Wettkämpfen und 1.000 Veranstaltungen zum Mitmachen ist das Deutsche Internationale Turnfest zu Ende. Seit gestern ziehen keine Gruppen mit Umhängeschildern und lustigen Dorfvereinsnamen mehr durch die Stadt; niemand macht mehr Menschenpyramiden vor dem Brandenburger Tor oder Flickflacks zum Zeitvertreib auf dem Bürgersteig. Der Spaß und der Stress sind vorbei.

Und die Zahlen – um Zahlen geht es ja vor allem bei solchen Dingen – waren sehr ordentlich. 325.500 Besucher kamen zur Eröffnung und zu den Veranstaltungen, 195.000 nahmen an den Rahmen-Angeboten von „Berlin turnt bunt“ teil, 305.000 besuchten die Messe Berlin, so lautet die Bilanz. 80.000 aktive Turner waren beim Turnfest – eine deutliche Steigerung.

Die Organisatoren vom Deutschen Turner Bund (DTB) und Sportsenator Andreas Geisel (SPD) waren denn auch begeistert. DTB-Präsident Alfons Hölzl sprach von einer „traumhaften Woche“ und „phänomenalen Zahlen“. „Berlin kann Turnfest“, erklärte Geisel.

Keine Verluste

Um diese Euphorie zu verstehen, muss man wissen, dass Turnfeste zuletzt nicht immer gut besucht und auch nicht immer profitabel waren. Rund 50.000 Aktive kamen zum letzten Turnfest 2013 in der Rhein-Neckar-Region, der schlechteste Zulauf seit 1963. Der Versuch, die Veranstaltung auf mehrere Städte zu verteilen, scheiterte organisatorisch und finanziell. Damals machte der DTB 200.000 Euro Verlust.

Das ist diesmal offenbar nicht der Fall: „Es gibt keine Sorge mehr, dass wir nicht mit einer schwarzen Null abschließen“, so Alfons Hölzl. Das klingt nicht nach großem Profit, doch Berlin hat mit seinem Hauptstadtbonus das Turnfest wieder stabilisiert. Auch neue Ideen trugen ihren Teil dazu bei: Projekte wie „Schule aktiv“ und „Kiez aktiv“ sowie die vielen Veranstaltungen am Brandenburger Tor zogen Publikum. Das Turnfest war diesmal wirklich Breitensport.

Trotz aller schönen Worte der Organisatoren: An die Zahlen zwischen den Jahren 1987 und 2005, als das Turnfest jedes Mal mindestens 100.000 Teilnehmer begrüßte, kommt die Veranstaltung längst nicht mehr heran. Zum letzten Turnfest 2005 in Berlin kamen noch 120.000 Teilnehmer, jetzt waren es ein Drittel weniger. Weitere Reformen wird es geben, das steht jetzt schon fest.

Kürzer und dichter

Im Jahr 2021 in Leipzig, das ist seit Freitag offiziell, wird das Turnfest verkürzt. „Sieben Tage sind schon eine lange Zeit“, sagte Hölzl. Vier oder fünf Tage sollen es künftig sein, an Himmelfahrt statt Pfingsten. Man erhoffe sich, dadurch mehr Menschen anzusprechen.

Und vermutlich auch mehr Freiwillige – bis zuletzt hatten die Organisatoren des diesjährigen Turnfests Schwierigkeiten, die nötigen 7.000 Helfer zu finden. Der Wandel bedeute allerdings „eine enorme Herausforderung, weil wir durch die Komprimierung des Programms mehr Wettkampfstätten und auch mehr Kampfrichter brauchen“, sagte Hölzl.

Kompakter und übersichtlicher bei gleich großem Programm: Das geht strukturell nicht in vielen deutschen Städten. Berlin würde gern wieder Ausrichter sein, am liebsten schon nach Leipzig, sagte Geisel. Allein die Gala mit Verabschiedung von Fabian Hambüchen im Olympiastadion lockte mehr Menschen an als manches Hertha-Heimspiel. Und die Turnfest-Teenies geben ihr Taschengeld sowieso lieber in der Hauptstadt aus als im Rhein-Neckar-Gebiet. Offenbar kam sogar der Vorschlag auf, gleich alle Turnfeste in Berlin stattfinden zu lassen. Vorerst aber lehnte Hölzl ab: „Wir sind nicht mit einem DFB-Pokalfinale vergleichbar.“ Alina Schwermer