René Martens über #Arteleaks und die Antisemitismus-Doku
: In jeder Hinsicht blamiert

Wie konnte Arte so naiv sein zu glauben, dass sie den Film unter Verschluss halten können?

Die Bild-Zeitung gehört zu den wirkmächtigsten Gegnern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Schon seit den 1960er Jahren greift das Blatt vor allem die ARD massiv an. Dass der Online-Ableger der Bild-Zeitung am Dienstag nun die Möglichkeit nutzte, sich als Akteur der Aufklärung im klassisch öffentlich-rechtlichen Sinne zu profilieren, indem man dort den Dokumentarfilm „Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa“ streamte –, das gehört fraglos zu den Treppenwitzen der jüngeren deutschen Mediengeschichte.

Möglich gemacht haben diesen Treppenwitz ein paar tollpatschige Manager von Arte und WDR. Sie haben es bisher aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt, den 90-minütigen Dokumentarfilm auszustrahlen – und damit eine öffentliche Debatte heraufbeschworen, in der der Springer Verlag nun die Initiative ergriffen hat. Das Vorgehen der Strategen vom Boulevard ist rechtlich natürlich unzulässig, aber Arte hat schon verlauten lassen, man habe prinzipiell „keinen Einwand“ gegen diese Art der Zugänglichmachung.

Dank #Arteleaks kann nun jeder sehen, dass „Auserwählt und ausgegrenzt“ ein vielschichtiger Film ist, reich an Exkursen in die Geschichte des Nahen Ostens und reich an Perspektiven auf den modernen europäischen Antisemitismus, der bis in das protestantische Milieu reicht – und in die Mitte der Medien. Es ist ein dezidiert projüdischer Film, geprägt unter anderem von der Empathie für französische Antisemitismusopfer.

„Die Unterstellung, der Film passe aus politischen Gründen nicht ins Programm, ist schlichtweg absurd“, teilt Arte nun mit. Aber mal abgesehen von inhaltlichen Argumenten: Wie konnte man in Straßburg und Köln so naiv sein zu glauben, dass sich im Zeitalter der Leaks ein Film unter Verschluss halten lässt? Der Fall ist für Arte und den WDR nicht nur ein moralisches, sondern auch ein strategisches Debakel.

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