Stefan Reinecke über den Einsatz der SPD für die „Ehe für alle“
: Lob des Wahlkampfmanövers

Wenn Thomas Oppermann schon Karl Marx zitiert, dann ist es der SPD ernst. Die Ehe für alle sei, so der SPD-Fraktionschef, „ein Gedanke, der mit Macht zur Wirklichkeit drängt“. Im Original bei Marx heißt es, dass die Wirklichkeit auch zum Gedanken drängen muss. So ist es in diesem Fall. Mag sein, dass die Ehe für alle im Alltag wenig grundstürzend ändert. Als Symbol ist sie wichtig – Gleichheit geht vor Tradition.

Die SPD hat der Union auf dem allerletzten Metern der Großen Koalition die Pistole auf die Brust gesetzt. Egal, was die Union tue, die SPD-Fraktion, so die Drohung, würde die Ehe für alle im Bundestag durchdrücken, auch mit Grünen und Linkspartei. Dieser späte Mut ist eigentlich ein Szenario für einen Koalitionsbruch. Aber was sollen Neuwahlen, wenn sowieso bald gewählt wird? Was ein dramatischer Auszug aus der Regierung kurz vor der Sommerpause? Die Pistole, mit der Schulz und Oppermann hantierten, spritzte – recht sommerlich – nur mit Wasser. Merkels Stärke ist es ohnehin, im richtigen Moment nachzugeben. Sinn für dramatische Gesten wären bei der Kanzlerin eher neu. Die Union gibt klein bei.

Wenn man das allzu Theatralische der SPD-Inszenierung abzieht, dann kann man ihren Verdruss schon nachempfinden. Am Sonntag hatten die Sozialdemokraten die Ehe für alle zur Bedingung für die nächste Regierung gemacht, ein paar Stunden später fiel Merkel ein, dass die Union ihren hartleibigen Widerstand aufgeben werde. Irgendwann jedenfalls. Dass die SPD da Hartwährung verlangt – ein Gesetz und zwar sofort – ist verständlich.

Ist das alles nur Wahlkampf? Ja, vor allem Merkels Ankündigung war ein taktischer Zug, um das ohnehin etwas spärliche Waffenlager der Sozialdemokraten zu plündern. Aber was heißt „nur Wahlkampf“? Die SPD hat, indem sie Merkel beim Wort nahm, die Union unter Druck gesetzt. Und ein lange überfälliges Gesetz verwirklicht. Kein schlechtes Ergebnis für ein Wahlkampfmanöver.

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