US-Hilfe für Puerto Rico: Trump belehrt Hurrikan-Opfer

34 Menschen starben, nur ein kleiner Teil der Bevölkerung hat wieder Strom. Der US-Präsident aber nutzt seinen Besuch, um sich zu inszenieren.

Donald Trump wirft eine Papierrolle in eine Menschenmenge

Trump verteilt großzügig Spenden Foto: reuters

NEW YORK taz | Zwei Wochen nachdem Hurrikan Maria Puerto Rico in eine Trümmerlandschaft verwandelt hat, gab die Inselregierung am Dienstag die jüngsten Opferzahlen bekannt. Danach sind 34 Menschen im Sturm oder an seinen Folgen ums Leben gekommen. Den Überlebenden stehen harte Zeiten bevor. Erst sieben Prozent der Insel-Bevölkerung haben wieder Zugang zu Strom, nur einer von zehn Telefonanschlüssen funktioniert, erst 45 Prozent der Trinkwasserversorgung ist repariert und der Unterricht in den Schulen in den zerstörten Orten kann vermutlich erst in Monaten weiter gehen.

Am selben Tag findet Donald Trump vier Stunden Zeit für die Insel. Nachdem er die Lage der Puertorriqueños tagelang ignoriert hat und sie anschließend mit Tweets bedacht hat, in denen er sein Mitgefühl mit Vorurteilen – sie seien faul und warteten auf Hilfe von außen, anstatt selbst die Ärmel hochzukrempeln – mischte, bietet er den Insulanern am Dienstag einen eigenartigen Besuch. Die vier Stunden sind komplett auf die Produktion von Bildern und Worten ausgerichtet, die seine Rolle in der humanitären Krise auf dem US-Territorium mit 3,4 Millionen Einwohnern schönfärben sollen.

In einem Moment wirft Trump in Plastik eingewickelte Haushaltspapierrollen in eine kleine Menschenmenge, die in einer Kirchengemeinde in San Juan auf Hilfsgüter wartet. 13 Tage nach dem Hurrikan sind viele Inselbewohner von Hunger, Durst und der nur tröpfelnd eintreffenden Hilfe vom Festland geschwächt. Die Anwesenden lachen den Präsidenten an, während er Papierrollen wirft. Aber viele auf der Insel empfinden die Szene als eine Zumutung. „Er ist gekommen, um uns zu erniedrigen“, sagt Maria Lourdes Gúzman, von der Movimiento Union Soberanista.

Am selben Vormittag statten Trump und seine Gattin dem Vorort Guaynabo im Süden von San Juan eine Stippvisite ab. In Guaynabo sind zwar auch Bäume umgeknickt wie Streichhölzer, doch der Ort ist einer der wenigen auf der Insel, dessen Gebäude weitgehend von Hurrikan verschont geblieben sind. „Er war freundlich“, sagt die verdutzte Anwohnerin Elba Otero Nazario, mit der Trump kurz plauderte. Aber sie rätselt darüber, warum er nach Guaynabo und nicht in einen der Hunderten von komplett zerstörten Orte gefahren ist. Schließlich hatte der Präsident seine Reise ein „Briefing“ genannt, bei dem er sich ein Bild von den Zerstörungen machen wollte.

Ein abwertender Vergleich

Bei einer Pressekonferenz in San Juan sitzt Trump breitbeinig vor den Medien und klopft sich selbst auf die Schulter. Er lobt die „gute Arbeit“ der Katastrophenhelfer und den „großen Fortschritt hier“. Doch schon im nächsten Atemzug haut er den Puertorriqueños eine Relativierung um die Ohren, die klingt, als wäre ihre Situation gar nicht so ernst. „Der Sturm Katrina, in New Orleans“, belehrt der Präsident den neben ihm sitzenden Gouverneur Ricardo Rosselló, „war eine echte Katastrophe mit Hunderten von Toten. Ihr hier könnt stolz sein, dass das nicht passiert ist“. Dann kehrt Trump zu seinem Leitmotiv zurück: Geld. Die Zerstörungen auf der Insel, sagt er, hätten den US-Haushalt „schwer belastet“.

Für die nur 160 Kilometer entfernten Virgin Islands, die ebenfalls auf einen Präsidentenbesuch und die daraus resultierende Medienaufmerksamkeit gehofft hatten, findet Trump keine Zeit. Stattdessen lässt er den Gouverneur der Virgin Islands, Kenneth Mapp, auf ein Militärschiff vor Puerto Rico fliegen, um ihn zu sehen. Auch die von Trump vergessenen Virgin Inseln St. Croix, St. John und St. Thomas liegen in Trümmern, aber ihre Bevölkerung ist mit nur 100.000 Menschen viel kleiner. „Ich habe ihn nicht erwartet“, sagt die Geschäftsfrau Citierra Stewart resigniert, „wir dürfen ja nicht einmal wählen. Wir interessieren ihn nicht“. Ein anderer Inselbewohner schreibt im Internet: „Die Virgin Islands sind zu 76 Prozent schwarz. Wer kann da glauben, dass Trump kommen würde?“

Drei Bischöfe – zwei Katholiken und ein Evangelikaler – von Puerto Rico und den Virgin Islands nutzen den Präsidentenbesuch, um auf eine Schuldenstreichung zu drängen. Puerto Rico sitzt auf einem Schuldenberg von mehr als 70 Milliarden Dollar. Die Austeritätspolitik, die Washington der Insel verordnet hat, schwächte ihre Infrastruktur, ihre Schulen und Krankenhäuser schon vor dem Hurrikan. Wenn Puerto Rico jetzt weiter Schuldendienste zahlen müsste, wäre das für die Inselbewohner, von denen mehr als 40 Prozent unter der Armutsgrenze leben, nicht zu verkraften. Auch die Virgin Islands sind hoch verschuldet. „Unsere Inseln können die Schulden nicht bezahlen“, schreiben die Bischöfe, „wir müssen uns auf den Wiederaufbau und die wirtschaftliche Erholung konzentrieren“. Sie verlangen ein Zahlungsmoratorium und eine Schuldenstreichung oder zumindest eine Reduzierung auf ein bezahlbares Niveau.

Carmen Yulín Cruz

„Dies ist kein Witz. Hier geht es um Leben und Tod.“

Auch die Bürgermeisterin von San Juan, Carmen Yulín Cruz, nimmt an einem Treffen mit Trump teil. In den zurückliegenden Tagen hat der Präsident auf die Kritik der Bürgermeisterin an der unzureichenden Hilfe aus Washington mit persönlichen Attacken reagiert. Er nannte sie per Tweet „inkompetent“ und „politisch motiviert“. Nach der Begegnung mit dem Präsidenten sagt die Bürgermeisterin in einem Interview: „Dies ist kein Witz. Hier geht es um Leben und Tod.“ Sie verlangt, dass Washington die im Austeritätsprogramm um die Hälfte zusammengestrichenen Budgets der Gemeinden auf Puerto Rico wieder aufstockt. Dann könnten sie den Wiederaufbau stemmen.

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