„Wir fahren dort hin und werden vorsichtig sein“

Die libysche Küstenwache droht Seenotrettern mit Konsequenzen, die vor der eigenen Küste arbeiten. Die deutsche Kapitänin Pia Klemp fährt nun in das Gebiet. Warum?

„Sea Watch“-Kapitänin Pia Klemp an Bord des Schiffs Foto: Sea Watch

Interview Christian Jakob

Seit diesem Wochenende ist die „Sea Watch III“ im Mittelmeer unterwegs, um Flüchtlinge aus Seenot zu retten. Es ist die erste Mission der deutschen Organisation, seit Libyen im August ein eigenes Seerettungsgebiet proklamiert hatte. Kein fremdes Schiff, sagte damals der Kommandeur der Küstenwache in Tripolis, habe das Recht, unerlaubt in das Gebiet einzudringen. Zuvor hatten Rettungsorganisationen gemeldet, in internationalen Gewässern mit Warnschüssen von der libyschen Küstenwache bedrängt worden zu sein. „Sea Watch“-Kapitänin Pia Klemp erklärt, wie sie mit der Lage umgehen will.

taz: Frau Klemp, Libyen hat NGOs wie Sea Watch gedroht, falls sie sich in die Zone begeben, in der Libyen selbst die Rettungen koordinieren will. Sie fahren jetzt trotzdem dorthin. Wieso?

Pia Klemp: Soweit wir wissen, soll die Rettungszone, die Libyen abdecken will, ein Gebiet von bis zu 73 Seemeilen vor der Küste umfassen. Da fahren wir auf jeden Fall rein. Libyen hat da überhaupt keine Handhabe. Es sind internationale Gewässer, die für alle frei zugänglich sind und damit natürlich auch für uns.

Was sind nun Ihre Pläne, und womit rechnen Sie bei Ihrem Einsatz im Mittelmeer?

Wir werden bis an die 24-Meilen-Zone vor Libyen fahren. Die libysche Küstenwache ist leider völlig unberechenbar. Genau genommen ist es nur eine Miliz. Das macht es für uns sehr schwer, es gibt für uns kein erkennbares Schema ihres Verhaltens. Wir werden mit Vorsicht und Augenmaß unseren Einsatz durchführen und vermeiden, mit denen in Kontakt zu kommen.

Im Sommer waren noch zehn NGOs zur Seenotrettung vor Libyen unterwegs, einige stellten wegen der Drohungen ihre Arbeit ein. Wie viele sind noch vor Ort?

Sechs, inklusive uns: Sea Eye, SOS Mediterannée gemeinsam mit Ärzte ohne Grenzen, Mission Lifeline, Proactiva Open Arms und wir.

Es ist die erste Sea-Watch-Mission mit einem neuen Schiff. Was ist anders?

Wir können viel mehr Menschen bei uns aufnehmen und deren Sicherheit gewährleisten. Auch die Crew ist größer: 22 Besatzungsmitglieder, viele Deutsche, aber auch Freiwillige aus Großbritannien, Österreich, den Niederlanden und Italien.

Bevor Sie als Kapitänin zur Sea Watch kamen, waren Sie bei der Tierrechtsorganisation Sea Shepherd. Was haben Sie da gemacht?

Ich war sechs Jahre dort, zunächst als Ship-Manager, später auch auf der Brücke. Ich war unter anderem bei Missionen im Südpolarmeer gegen Walfang dabei und im Südpazifik gegen illegalen Haifang .

Wie kamen Sie zur Schifffahrt?

Ich habe auf einem Handelsschiff gelernt, ein Kapitänspatent gemacht, dazu einen kommerziellen Yachtenschein. Das war vor sechs Jahren. Danach bin ich direkt zu Sea Shepherd.

Die Lage im zentralen Mittelmeer war zuletzt ruhiger als im Sommer. Welche Situation erwarten Sie bei Ihren Einsätzen in den nächsten Wochen?

Es wurde den Menschen immer schwerer gemacht, Libyen zu verlassen. Es sind sehr viele Gelder geflossen, damit die Küstenwache die Menschen zurückholt und vom Asylantrag abhält. Allerdings ist die Lage in Libyen sehr instabil. Wir gehen davon aus, dass die Blockade der Route, die die EU unter großem Kraft- und Geldeinsatz erreicht hat, wieder ins Wanken gerät.