Fünf-Sterne-Bewegung in Italien: Plagiiertes Wahlprogramm

Italiens euroskeptische Partei ist stolz auf das Programm für die Parlamentswahlen. Eine Recherche stellt nun fest, dass viele Textstellen abgeschrieben sind.

Drei Männer stehen nebeneinander. Der in der Mitte hält ein Dokument hoch

Für die Wahl registiert ist die rechtspopulistische Partei schon. Frontmann Grillo (M) ist glücklich Foto: dpa

ROM taz | Mächtig stolz ist das Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) auf das Programm, mit dem es seine Kampagne für die italienischen Parlamentswahlen am 4. März bestreitet. In dicken Lettern steht auf der Website der Partei: „Das Programm für Italien – geschrieben von Italienern“, und darunter heißt es, hier liege das „weltweit erste Programm“, vor, das „von den Bürgern online verabschiedet“ wurde.

Das passt zum eingespielten Habitus der Fünf Sterne, vor fünf Jahren erstmals angetreten, um den nationalen Politikbetrieb aufzumischen und bei den Parlamentswahlen 2013 gleich mit spektakulären 25 Prozent belohnt. Als radikaler Gegenentwurf zur „politischen Kaste“ präsentieren sie sich, nicht Partei, sondern Bewegung wollen sie sein, endlich den Bürgern eine Stimme gegen die unfähigen und korrupten Altpolitiker verschaffen, die Willensbildung nicht in verkrusteten Apparaten, sondern über ihre Online-Plattform vorantreiben.

So auch war, wenigstens der offiziellen Version zufolge, das Wahlprogramm entstanden. 20 Arbeitsgruppen, jeweils koordiniert von M5S-Parlamentariern, tauschten sich in den Aktivisten offenstehenden Webforen aus über die diversen Punkte, von Energie über Immigration, Arbeit, Gesundheit, Verkehr, Umwelt, Bildung oder Steuern zur Wirtschaft.

Doch jetzt kam dank einer Recherche der Nachrichtenseite ilpost.it heraus, dass das Megadokument – wohl das „weltweit erste Wahlprogramm“, das in seiner kompletten Version weit über 1.000 Seiten erreicht – womöglich „von den Italienern geschrieben“, sicher aber in gleich elf der 20 Kapitel Textstellen von anderen abgeschrieben wurden.

So bedienen sich die Fünf Sterne im Kapitel Wirtschaft beim Wissenschaftlichen Dienst des Abgeordnetenhauses, um die Rolle öffentlicher Unternehmen zu erläutern, und bei der parlamentarischen Anfrage eines Abgeordneten aus der von der M5S heftig bekämpften Partito Democratico (PD) bis hin zum Erdölkonzern ENI. In dem Abschnitt, in dem das BIP als einziger Wohlstandsindikator in Frage gestellt wird, ist der französische Ökonom Jean-Paul Fitoussi der Ghostwriter. Aber auch die Europäische Kommission und Wikipedia haben, ohne je als Quelle angeführt zu sein, mit Texten unabsichtlich eifrig am Fünf-Sterne-Programm mitgewirkt.

„Bei Wikipedia abgeschrieben“, lästerte denn auch sofort Matteo Renzi, der Chef und Spitzenkandidat der bisher in Rom regierenden PD. Ein anderer führender PD-Politiker, Matteo Orfini, setzte mit dem Slogan nach: „Wähle Originalideen, wähle die PD!“

Doch die Fünf Sterne wollen den Plagiatsvorwurf nicht auf sich sitzen lassen und werfen ihren Kritikern ihrerseits vor, diese seien Opfer „des funktionellen Analphabetismus“, denn „die Teile, die ihrer Meinung nach abgeschrieben sind, sind die analytischen Teile“. Da habe man sich halt bei Experten bedient, und dies schlage zum Lob der Bewegung aus: „Die M5S studiert, sie vertieft Fragen, und sie nutzt wissenschaftliche Quellen“. Ganz und gar nicht kopiert seien dagegen „die Leitlinien der politischen Intervention, denn sie sind Frucht monatelang betriebener Studien“.

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