Barbara Dribbusch über psychische Probleme Studierender
: Runter mit den Erwartungen!

Die Zahlen muss man mit Vorsicht betrachten, aber trotzdem: Unter den StudentInnen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren hat jeder Sechste schon mal die Diagnose einer psychischen Erkrankung bekommen, Tendenz steigend. Medizinkritiker geben zwar zu bedenken, dass heute die Psychodiag­nosen, die sogenannten F-Diagnosen, gerade auch von Hausärzten ziemlich niedrigschwellig verteilt werden. Und StudentInnen sind immer noch weniger seelisch angeschlagen als Gleichaltrige in Ausbildung und Beruf.

Trotzdem ist der Trend nicht zu leugnen: Viele angehende AkademikerInnen leiden an der Seele – und das erfordert neue Gegenstrategien. Das übliche Instrumentarium stößt nämlich bei jungen Leuten schnell an Grenzen. Die Wirkungsweise von Antidepressiva auf die Hirnphysiologie junger Menschen ist medizinisch umstritten. Und Psychotherapien allein können es auch nicht richten: Erstens gibt es zu wenig TherapeutInnen, zweitens hat jede Therapie mal ein Ende. Leider denken Ängste und Depressionen aber nicht unbedingt daran, sich zeitgleich mit dem Ende einer kassenfinanzierten Therapie auch für immer aus dem Leben der Betroffenen zu schleichen.

Es ist daher o. k. von der Barmer Krankenkasse, auch auf Online-Trainingsprogramme gegen leichtere Depressionen zu verweisen, eine Art internetgestützte Form der Selbsthilfe. Die Programme dürfen nur nicht zum Ersatzangebot werden, weil es an guten PsychotherapeutInnen mangelt.

Vor allem aber muss der Umgang mit Depressionen und Ängsten, mit Dysfunktionen eine Aufgabe in der Mitte der Gesellschaft werden. Grade StudentInnen stehen unter hohem Erwartungsdruck. Viele erkranken, wenn sie Ende 20 kurz davor stehen, die Uni für immer zu verlassen. Zukunftsangst! Und das bei einer Demografie, wo jeder junge gut ausgebildete Mensch für den Arbeitsmarkt und die Rentenkassen kostbarer ist als jemals zuvor. Aber vielleicht ist gerade dies ein Problem.

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