Frisch im Freien

Fröhlich draußen Sport treiben, vom Turnvater weg über Trimm-dich bis zu Pokémon Go

Von Alina Schwermer

Auch in Deutschland, dem heiligen Hort des Vereinswesens, funktioniert Sport gut und gerne ohne den Verein. Erfunden aber haben Yogafreunde und Frisbeespieler den vereinslosen Draußensport natürlich nicht. Vielleicht schon eher der alte und etwas in Verruf geratene Turnvater Jahn, der ab 1811 in Berlin in der Hasenheide den ersten öffentlichen Turnplatz errichtet und Knaben und Herren zur körperlichen ­Ertüchtigung am Reck turnen oder auf der Laufbahn hecheln lässt.

Was einst die Franzosen in die Flucht schlagen sollte, ist gleichzeitig der Start für den selbst organisierten Breitensport.

So richtig beginnt der Individualismus aber erst viel ­später. Im kollektiven BRD-Gedächtnis bleibt vor allem die Trimm-dich-Bewegung, die Anfang der siebziger Jahre vom Deutschen Sportbund initiiert wurde, um den zunehmend wohlstandsbäuchigen Bundesbürgern Beine zu machen. Das Maskottchen Trimmy wusste vom „Laufen ohne Schnaufen“, man ging raus zum Joggen oder auf Trimm-dich-Pfade. In Berlin gibt es davon übrigens laut ­Onlinekarte von trimm-dich-pfad.com immer noch zwanzig Stück.

In der DDR war unabhängiges Draußensporteln nicht unbedingt gefragt. „Jeder Mann an jedem Ort – ein Mal in der Woche Sport“, gab Walter Ulbricht 1959 zwar als Motto aus. Aber das sollte schön organisiert über Betriebssport- und Schulsportgemeinschaften laufen. Trotzdem gab es auch in der DDR Aktionen wie „Dein Herz dem Sport – Stark wie ein Baum“, womit in Tageszeitungen die Bevölkerung zur sportlichen Aktivität motiviert werden sollte. Sogar gewinnen ließ sich dabei was.

Natürlich bleibt vereinsloses Sporteln von internationalen Moden nicht verschont. Als einer der frühen Draußensporttrends kam die Skateboardwelle nach Deutschland. Das Brett verdrängte in den achtziger Jahren erfolgreich die Rollschuhe (wenn es auch bei den meisten Kindern nach zwei Wochen in der Garage lag) und schuf eine Subkultur, die bis heute gut ohne Vereinswesen auskommt. 17 Skateparks gibt es aktuell in Berlin. Ein Jahrzehnt später wurde unter dem Titel „Nordic Walking“ das Wandern mit Gehstöcken zu einer Massenbewegung. Mit Stöcken bewehrte Senioren prägten jahrelang das Bild vieler Parks.

Überhaupt, das Wandern: Seit Jahren vermelden Branchen­institute einen Boom. Von der neuen Naturbegeisterung profitiert auch das Klettern. In Berlin, wo die Alpen mit den Bergen nicht unbedingt vor der Haustür liegen, sprießen aktuell die Boulderhallen.

Und natürlich gab es auch die Hypes, die einfach wieder verschwanden. Diabolo kannten angeblich schon Steinzeitmenschen. In den neunziger Jahren versuchte man sich im Garten oder Park an Tricks mit dem Jong­lier­gerät, aber irgendwie landete das vertrackte Ding dann doch wieder eher im Zirkus­repertoire.

In den 2000er Jahren eroberte das altbackene Rollerfahren unter dem schicken Namen Kickboard die Bürgersteige und Parks. Und vor etwa zehn Jahren kam das Slacken auf, bei dem man auf ­einem zwischen zwei Bäumen gespannten Band, der Slackline, zu balancieren versucht.

Aber was wäre Draußensport ohne moderne Technik? Mit Geocaching fanden sich bewegungsbegeisterte Bürger zusammen, um anhand von Ko­ordinaten aus dem Internet eine GPS-Schnitzeljagd auf einen versteckten Fund abzuhalten. Der erste deutsche Geocache wurde im Jahr 2000 südlich von Berlin versteckt.

Der bisher jüngste digitale Draußensporttrend brachte dann auch Nerds zum Wandern. Bei Pokémon Go liefen ab September 2016 Scharen durch Berlin, um virtuelle Pokémon zu fangen. Weil man zum Aus­brüten diverser Eier zehn Kilometer zurücklegen musste, wurde kollektives Stadtwandern hip. Der Hype fror allerdings mit dem Winter ein.