Debatte um Feuerwerksverbot in Berlin: Mehr Kracher als Wunderkerzen

Ist Böllern Tradition oder nur gefährlich und laut? Die Grünen diskutieren mit BürgerInnen über Feuerwerksverbote.

Eine Hand hält eine Packung Böller

Manche verlassen die Stadt, andere lassen es krachen. Der Böller-Streit läuft seit Jahren Foto: dpa

Alle Jahre wieder halten es die Deutschen für eine zündende Idee, erhöhten Alkoholkonsum mit der privaten Nutzung von Sprengstoff zu verbinden. Was in anderen Städten längst verboten ist, wird hierzulande als Teil der persönlichen Freiheit gehütet. Sogar der Petitionsausschuss des Bundestags betont: Feuerwerk gehöre „zum traditionellen Brauchtum in Deutschland“. Ja, einmal im Jahr müssen wir offenbar explosions­artig Dampf ablassen.

Damit wäre die Geschichte eigentlich geklärt. Dennoch sprengen mehr und mehr KritikerInnen das harmonische Ausleben dieser heimischen Pyro-Tradition. Etwa der Grünen-Abgeordnete Georg Kössler aus dem stets böllerbelasteten Neukölln. Man könne doch einmal nüchtern über Feuerwerksverbote diskutieren. Und da ist jetzt der beste Zeitpunkt. Silvester ist lang vorbei, und vor dem nächsten Jahreswechsel sind die Emotionen noch mit einem Berliner Sommer (zu verregnet), einer Fußballweltmeisterschaft (zu korrupt) und einer Weihnachtsmarktsaison (zu warm) beschäftigt.

Deshalb sitzt Kössler am Mittwochabend in einem Nordneuköllner Café mit der Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel, Experten von Polizei und Rettungsstellen und einer Stadt­aktivistin. Dazu 20 Personen im Publikum. Wichtig ist – da sind sich viele sogar unter den Zuschauern einig –, dass die Nutzung von Feuerwerk aus „einem gesellschaftlichen Konsens“ erwachse (O-Ton Gebel). Verbote gegen den Willen der Menschen seien keine Lösung. Konsens gehört eben zum „traditionellen Brauchtum in Deutschland“ wie Chinaböller und Co.

Wie wenig Konsens jedoch darüber hinaus in der Frage „Feuerwerk: Ja oder Nein“ besteht, wird rasch klar. Die Diskussion entwickelt sich gewissermaßen selbst wie eine Silvesternacht. Da gibt es jene, die vorsichtig ihre argumentative Wunderkerze zünden, und jene, die ihnen dafür die Raketen ent­gegenschießen.

Unsere Waffendebatte

Ein Beispiel: Was ist mit der Luft? Können wir überhaupt über Klimaschutz und Stadtluft sprechen und dann diese Unmengen an Feuerwerks-Feinstaub innerhalb weniger Stunden in die Luft pusten? Antwort eines Pyro-Freundes: Der Gummi­abrieb von Fahrradbremsen verschmutze ebenso die Luft. Georg Kössler selbst twittert zwischenzeitlich aus der ersten Reihe: „Wir kommen grad noch nicht zusammen.“

Irgendwie steht die Diskussion sinnbildlich für all die stark emotional geführten Debatten von deutschen Dieselfahrverboten bis zum Waffenbesitz in den USA. Die einen sehen sich in ihrer Freiheit beschränkt – die anderen fragen, ob diese Freiheit nicht dort enden sollte, wo sie die Sicherheit der anderen bedroht.

Böller seien schließlich gefährlich und gehören daher verboten oder allein in die Hände von Profis, so die eine Seite. Nein, sagen die anderen, wenn etwas gefährlich sei, dann der Mensch. Idioten gebe es immer. Auch mit Autos könne man andere gefährden und die würden nicht verboten. Applaus von Seiten der Böllerer.

Wobei: Es gibt Gründe, warum wir keinen traditionellen Tag feiern, an dem sich alle Berliner erst betrinken und anschließend in ihre Autos steigen.

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