Kommentar Nordkoreas Atomwaffenstopp: Die Gefahr droht von innen

Kim Jong Uns Dilemma: Um das als „Lebensversicherung“ betrachtete Atomprogramm aufzugeben, benötigt er einen glaubhaften Nichtangriffspakt.

ein Montage der Fotos zweier Männer

Raketenmann und Raketenmann: Kim Jong Un und Donald Trump Foto: dpa

Wer Kim Jong Uns angekündigten Atomwaffenstopp als beispiellosen Wendepunkt im Nordkorea-Konflikt deutet, hat die Originalmeldung der nordkoreanischen Nachrichtenagentur nicht gelesen. Von atomarer Abrüstung ist dort gar nicht die Rede, die interne Botschaft ans eigene Volk ist im Gegenteil eine der demonstrativen Stärke: Das Militär habe sein Atomprogramm derart weit ­vorangetrieben, dass weitere Tests schlicht nicht mehr notwendig seien.

Dennoch ist Nordkoreas jüngster Kurswechsel ein Grund zur Freude. Kim Jong Un hat angekündigt, sich nun mehr denn je der wirtschaftlichen ­Entwicklung des Landes zu widmen. Entgegen der medialen Wahrnehmung ist Kim ein – für nordkoreanische Verhältnisse – äußerst marktwirtschaftlich gesinnter Staatschef.

Unter seiner Ägide wurden die einst illegalen Schwarzmärkte weitestgehend toleriert, eine neue Händlerkaste mit politisch unliebsamen Familienhintergründen gewinnt rasant an Einfluss. Kim Jong Un hat längst erkannt, dass das Überleben seines Regimes nicht nur von einer militärischen Invasion der Amerikaner bedroht wird.

Die vielleicht dringlichere Gefahr kommt von innen: Wenn Kim nicht bald sein Versprechen nach materiellem Aufschwung einlöst, wird dies früher oder später für Unmut in der Bevölkerung sorgen. Dennoch sieht sich das Regime in Pjöngjang vor einem nahezu unlösbarem Dilemma: Um sein als „Lebensversicherung“ betrachtetes Atomprogramm vollständig und nachhaltig aufzugeben, benötigt es einen glaubhaften Nichtangriffspakt der USA.

Selbst wenn Trump das Vertrauen von Kim Jong Un bei dem geplanten Gipfeltreffen gewinnen wird: In nur wenigen Jahren wird unweigerlich eine andere US-Regierung ins Amt gewählt – mit einem anderen außenpolitischen Kurs. Washington genießt ohnehin nicht den besten Ruf, sich bindend an internationale Vereinbarungen zu halten – schon gar nicht, wenn sie mit Schurkenstaaten abgeschlossen wurden.

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Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

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