Trump sieht sich als Opfer einer „Hexenjagd“

US-Bundesermittler haben das Büro von Donald Trumps langjährigem persönlichen Anwalt Michael Cohen durchsucht. Der Tipp soll von FBI-Sonderermittler Mueller gekommen sein

Unter Druck: US-Präsident Donald Trump mit Vize Mike Pence Foto: Susan Walsh/ap

Aus New York Dorothea Hahn

Donald Trump schäumte vor Wut, als er am Montagnachmittag vor JournalistInnen im Weißen Haus über seinen Justizminister Jeff Sessions, über dessen Stellvertreter Rod Rosenstein und über Sonderermittler Robert Mueller herzog. Unter anderem sprach der Präsident von einem „Angriff auf unser Land“, von „totaler Hexenjagd“ und von einer „neuen Qualität von Unfairness“. Er dachte auch erneut laut darüber nach, Muel­ler, der die Ermittlungen über mutmaßliche Russlandkontakte des Trump-Teams koordiniert, zu entlassen.

Stunden vor der Präsidenten-Tirade hatte das FBI Razzien im Büro, im Hotelzimmer und im Privathaus des langjährigen persönlichen Anwalts von Trump organisiert. Michael Cohen ist seit mindestens einem Dutzend Jahren Trumps Anwalt für alle möglichen Geschäfte und Erledigungen. Wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen zahlte Cohen 130.000 Dollar Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels. Die 39-Jährige sagt, sie habe 2006 eine Affäre mit Trump gehabt. Trump bestreitet das. Sein Anwalt behauptet, er habe das Schweigegeld aus seiner Privatkasse gezahlt. Bei guten Kunden sei dergleichen üblich.

Wonach das FBI bei den Razzien im Morgengrauen in Manhattan suchte, ist offiziell nicht bekannt. Aber feststeht, dass die Razzien bei Trumps langjährigem Vertrauten und Anwalt den Präsidenten destabilisiert haben. Unter anderem soll das FBI einen Computer, das Telefon des Anwalts sowie andere Dokumente über Kommunikationen zwischen ihm und seinem Klienten mitgenommen haben.

Cohen war ins Visier der Ermittler geraten, als sein großzügiger Scheck an Stormy Daniels publik wurde. Selbst wenn Trump wirklich nichts von der Zahlung gewusst hat, könnte sie eine illegale Wahlkampffinanzierung darstellen. Denn eine Zahlung mit der Absicht, Trumps Ruf im Hinblick auf die damals bevorstehenden Wahlen zu retten, hätte als Wahlkampf­unterstützung deklariert werden müssen. Nach Informationen der Washington Post wird unter anderem wegen Bankbetrugs und Verletzung der Regeln zur Wahlkampffinanzierung gegen ihn ermittelt.

Stormy Daniels, die inzwischen das Schweigegeld zurückzahlen und offen über ihre Affäre mit Trump reden möchte, hat die Lawine gegen Cohen ins Rollen gebracht. Nachdem die Pornodarstellerin und ihr Anwalt Michael Avenatti eine Medienoffensive gestartet hatten, begannen unmittelbar Spekulationen über mögliche Rechtsverletzungen Cohens. Sein Name ist auch im Zusammenhang mit Geschäften, die Trump in Russland erwogen haben soll, in die Schlagzeilen gekommen. Unter anderem soll Cohen beteiligt gewesen sein, als ein russischer Mittelsmann Trump ein Hotelgeschäft in Moskau angeboten hat.

Der Verdacht gegen Cohen gelangte zu Sonderermittler Mueller, der vorrangig nach illegalen Russlandkontakten der Trump-Kampagne sucht. Unter anderem hat Mueller bereits Trumps Ex-Wahlkampfmanager Manafort angeklagt und zahlreiche MitarbeiterInnen des Weißen Hauses gehört. Mehrere ehemalige Trump-Mitarbeiter kooperieren inzwischen mit dem Ermittler. Und es gibt Anzeichen, dass Trumps erster Berater für die Nationale Sicherheit, Mike Flynn, einer von ihnen ist.

Doch für die Razzien bei Anwalt Cohen war nicht Sonderermittler Mueller zuständig. Er soll lediglich seinen Vorgesetzten im Justizministerium, Vizeminister Rosenstein, über einen Verdacht gegen Cohen informiert haben. Rosenstein übergab den Fall an einen erst vor Kurzem von Justizminister Jeff Sessions benannten Bundesstaatsanwalt in New York. Dass der Bundesstaatsanwalt Durchsuchungen bei dem Anwalt angeordnet hat, bedeutet möglicherweise, dass die ErmittlerInnen eine Zerstörung von Beweismitteln oder andere Justizbehinderungen befürchten. Normalerweise sind Razzien bei AnwältInnen selten.

Gegen Cohen wird wegen Bankbetrug und illegaler Wahlkampfspenden ermittelt

Trump ließ seine emotionale Tirade gegen die Spitze seines Justizministeriums, den Sonderermittler und das FBI vor Beginn eines Treffens mit Militärs und Regierungsmitgliedern los, bei dem es eigentlich um mögliche US-Reaktionen auf die mutmaßliche Giftgasattacke in Syrien gehen sollte. Der Präsident hatte erst nach dem Ende der Razzien in New York von ihnen erfahren. Anschließend verbrachte er viel Zeit am Montag damit, sich darüber zu empören.

Vor den Medien beschrieb er am Montagnachmittag seinen Anwalt Cohen als „guten Mann“ und stellte die Arbeit des FBI, der Staatsanwaltschaft und des ­Justizministeriums so dar, als hätten sie einen Putsch versucht.

Damit hat der – vom Präsidenten bestrittene – One-Night-Stand mit einer Pornodarstellerin, kurz nach der Geburt seines jüngsten Sohnes, alle anderen Schlagzeilen in den Hintergrund gedrängt. Stormy Daniels’ Anwalt, Avenatti, jubilierte nach den Razzien in einem Interview mit dem Rolling Stone: „Wenn ich recht habe, könnte dies sehr, sehr böse für Trump und andere enden.“

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