Regierungskrise in Spanien: Die Abwahl Rajoys rückt näher

Medien zufolge gibt es eine Mehrheit für das Misstrauensvotum gegen Spaniens Regierungschef. Ob Rajoy freiwillig zurücktritt, ist fraglich.

Ein Mann, Mariano Rajoy

Mit einem Rücktritt könnte Rajoy seinem Partido Popular (PP) helfen, an der Macht zu bleiben Foto: reuters

MADRID taz | Mariano Rajoys Stuhl wackelt: Der Sozialist Pedro Sánchez bringt Medienberichten zufolge mit seinem Misstrauensvotum gegen den bisher regierenden Chef der konservativen Partido Popular (PP) die Mehrheit der Abgeordneten des spanischen Parlamentes hinter sich. Die letzten Stimmen, die Sánchez fehlten, waren die der Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV). Der Vorstand der baskischen Regierungspartei tagte den ganzen Vormittag darüber. Nach übereinstimmenden Medienberichten beschloss die PNV aber, Sánchez zu unterstützen – falls Rajoy nicht vor der Abstimmung am Freitag zurücktritt.

Genau das könnte Rajoy jetzt tun, um seine PP an der Regierung zu halten. Er wäre dann geschäftsführender Regierungschef, bis König Felipe VI. einen neuen Politiker mit der Regierungsbildung beauftragt und dieser die Mehrheit auf sich vereint. Eine Möglichkeit wäre die Kandidatur von Rajoys Stellvertreterin Soraya Sánez de Santamaría. Gelänge dies nicht, muss Spanien erneut wählen.

Die zweitägige Debatte hatte am Donnerstag mit einem Schlagabtausch der beiden Kontrahenten begonnen. Das Misstrauensvotum sei aus „demokratischer Hygiene“ notwendig, erklärte Sánchez. Der Sozialist bezog sich immer wieder auf das Urteil zum Netzwerk Gürtel von vergangener Woche. Mehrere ehemalige Politiker aus den Reihen von Rajoys Partido Popular (PP) waren dabei zu hohen Haftstrafen unter anderem wegen Korruption und Geldwäsche verurteilt worden.

Unter ihnen Luis Bárcenas, der jahrelang unter Rajoy Schatzmeister der Partido Popular (PP) war, und das Schwarzgeld aus dem Netzwerk verwaltete. Sánchez hatte daraufhin als Reaktion das Misstrauensvotum gestellt. Die PP wurde als Nutznießer zu einer Geldstrafe verurteilt. Rajoy selbst hatte als Zeuge vor Gericht nicht wahrheitsgemäß ausgesagt, steht im mehr als 1.600 Seiten starken Urteil.

Die Märkte könnten empfindlich reagieren

Rajoy warf Sánchez vor, das Votum eingebracht zu haben, da er „nie die Wahlen gewinnen wird“. Sánchez strebe eine „Regierung Frankenstein“ an, die sich auf viele, unterschiedliche Strömungen stützt. Er sprach immer wieder von der Krise, die er beim Wahlsieg 2011 von den Sozialisten geerbt und erfolgreich überwunden habe. Beim Gedanken an Regierungswechsel würden bei den „Märkten überall rote Lichter angehen“. Allerdings: Der Risikozuschlag für spanische Staatsanleihen ging im Lauf der Debatte um 9 Punkte zurück und die spanische Börse legte leicht zu.

Sánchez vereint die 85 Stimmen seiner Fraktion, 67 der linksalternativen Podemos, sowie die mehrerer Regionalparteien aus Valencia, dem Baskenland und Katalonien. Insgesamt sind dies 180 der insgesamt 350 Abgeordneten.

Darunter befinden sich auch die separatistische Republikanische Linke Kataloniens (ERC) und die Demokratisch Europäische Partei Kataloniens (PdeCAT), die in Katalonien regieren. Der katalanische Ministerpräsident Quim Torra, der gerade mit einer neuen Regierung erreicht hat, dass Madrid die Zwangsverwaltung aufhebt, will einen Dialog mit der Zentralregierung. Sánchez, dessen Partei bisher die Zwangsverwaltung unterstützte, versprach jetzt genau das.

Rajoy griff das Thema Katalonien immer wieder auf. Sánchez würde mit den Stimmen derer rechnen, die „Spanien zerstören“ wollen. Die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) nahmen dieses Argument zum Anlass, um ihre Stimme gegen Sánchez anzukündigen.

Sánchez hatte bis zum Schluss um die PNV geworben. So versprach er den gerade erst verabschiedeten spanischen Haushalt aufrechtzuerhalten. Die PNV hatte dem Haushalt Rajoys zugestimmt, da das Baskenland darin reichlich bedacht wird.

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