Kommentar Trumps Absage an Nordkorea: Ego und Wirkung

Trump fürchtet, dass der Gipfel in einem diplomatischen Debakel enden könne – und sagt ihn kurzerhand ab. Ein Hintertürchen lässt er sich offen.

Kim Yong Un und Donald Trump - jeweils einzeln und winkend

So nah werden sich Kim Yong Un und Donald Trump erstmal nicht kommen Foto: dpa

Trump hat es also doch getan. In einem aberwitzig formulierten, aber höchstwahrscheinlich als diplomatisch intendierten Brief sagte er das für den 12. Juni in Singapur geplante Gipfeltreffen mit Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un ab. Er habe sich zwar sehr auf das Treffen gefreut, leider habe Nordkorea jedoch zuletzt „enormen Ärger und offene Feindschaft“ erkennen lassen.

Dabei sollten Ursache und Wirkung nicht vertauscht werden: Während Pjöngjang in den letzten Wochen mit durchaus beachtlichen Zugeständnissen seinen guten Willen gezeigt hat, war es der US-Präsident, der mit seinen „Libyen-Vergleichen“, der Aufkündigung des Iran-Vertrags und der Entsendung von B-52-Langstreckenbombern vor Nordkoreas Landesgrenze die Parteikader in Pjöngjang verärgert hat.

Jene Haltung ließ der Präsident auch in seinem Schreiben durchblicken: „Unsere Nuklearwaffen sind so massiv und so mächtig, dass ich zu Gott bete, dass sie nie angewendet werden müssen.“

Trump, das lässt sich rückblickend eindeutig feststellen, hat sich zu sicher gefühlt, mit den Nordkoreanern einen schnellen, einfachen „Deal“ zu bekommen. Nun jedoch fürchtet er, dass der Gipfel in einem diplomatischen Debakel enden könne – und sagt ihn kurzerhand ab.

In Südkorea sitzt der Schock tief. Auch wenn Präsident Moon Jae ihm möglichst diplomatisch antworten wird, könnte die Enttäuschung über Trumps Handeln für einen Riss in der jahrzehntealten Allianz sorgen. Auch in China und Russland wird man den US-Präsidenten für das Scheitern des Gipfeltreffens verantwortlich machen.

Und doch hält Trump ein Hintertürchen offen: Wenn Kim seine Haltung noch ändern wolle, so Trump in seiner Stellungnahme, solle er nicht zögern, ihm zu schreiben oder ihn anzurufen. Dies käme jedoch einem ­diplomatischen In-die-Knie-Zwingen der Nordkoreaner gleich – und wird zumindest kurzfristig nicht passieren, denn der US-Präsident ist nicht der Einzige in diesem Konflikt mit einem ­Riesen-Ego und einer Extra­portion Stolz.

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Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

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