Was kann die Gentechnik Crispr-Cas: Gemüse der anderen Art​

Mais, der Dürren übersteht? Mit Crispr-Cas lässt sich das Erbgut gezielt verändern. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur neuen Gentechnik.

Gemüse und Obst, üppig drapiert

Abwägungssache: Mit Crispr-Cas könnte Gemüse und Obst länger haltbar bleiben Foto: Unsplash/ja ma

Was ändert die neue Gentechnik?

Kühe oben ohne, also ohne Hörner. Weizen, dem der Mehltau nichts anhaben kann, Kartoffeln, die sich länger lagern lassen – große Zuchtfirmen investieren längst in die neue Technologie. Die britische Firma Genus, der größte Viehzüchter der Welt etwa. Oder: die US-amerikanischen Agrar- und Saatgutkonzerne Calyxt und DowDuPont sowie Forscher der chinesischen Akademie der Wissenschaften. Auch die Biotechnologen hierzulande, etwa jene des Leverkusener Bayer-Konzerns entdecken das Werkzeug für sich. Vor dem EuGH geht es nun zunächst um Pflanzen in der Landwirtschaft.

Was soll der EuGH entscheiden?

Dürfen Kartoffeln und andere Lebensmittel einfach so auf Höfen und Feldern produziert und dann im Supermarkt verkauft werden, wenn sie mit der neuen Zuchtmethode entstanden sind? Oder ist das eine klassische Variante der grünen Gentechnik? In dem Fall müssten die Hersteller eine spezielle Zulassung beantragen und die Produkte gekennzeichnet werden. Das müssen die Richter entscheiden. Französische Tier- und Naturschutzorganisationen hatten geklagt, weil die bisherigen Regeln unklar sind. Im Januar veröffentlichte der Generalanwalt des EuGH, Michael Bobek, dazu bereits eine Stellungnahme. Sie ist nicht bindend, aber oft folgen die Richter ihr. Demnach können die neuen Techniken von einer Extra-Regulierung ausgenommen werden, wenn deren Ergebnis auch auf „natürliche Weise“ entstehen könnte.

Wie funktioniert Crispr-Cas?

Crispr-Cas ist eine Art Werkzeugkasten für das Erbgut, die DNA. Biotechnologen können Erbinformationen punktgenau ausschneiden, ausschalten und austauschen. Im Prinzip – aber darum geht es vor Gericht nicht – können so auch artfremde Gene eingefügt werden. Der Unterschied zur „alten“ Gentechnik: Der Eingriff gilt als präzise und relativ simpel zugleich, ähnlich der „Suchen und Ersetzen Funktion“ auf dem Computer. Experten sprechen auch vom Genom Editing: Das Erbgut wird redigiert, umgeschrieben wie ein Text. In der Regel geht das fix, binnen Monaten statt Jahrzehnten in der herkömmlichen Züchtung. Nur tobt ein Streit, ob das Genom Editing quasi natürlich ist, die Veränderungen also auch durch bereits akzeptierte Methoden entstehen könnten.

Was soll an Crispr-Cas unnatürlich sein?

Christoph Then leitet Testbiotech, ein Institut für die Risikoabschätzung von Gentechnik. Der frühere Greenpeace-Experte sagt, Crispr-Cas sei „eine Modernisierung, bleibe aber Gentechnik“, die sich, anders als bisher oft behauptet, durch „spezifische Muster“ im Erbgut von der konventionellen Züchtung „deutlich“ unterscheide. Denn die Biotechnologen gäben „der Zelle den Befehl, an einer bestimmten Stelle des Erbgutes eine Veränderung vorzunehmen“. Das sei „methodisch etwa ganz anderes, als die Pflanzen klassisch zu kreuzen,“ und zudem „fehleranfällig“: „Crispr-Cas setzt nicht immer an dem Genabschnitt an, wo es geplant ist.“ Then meint: „Die Risiken der neuen Verfahren sind bislang zu wenig erforscht, sie sollten nicht einfach so auf den Markt.“

Was sagen die Biotechnologen?

„Die Präzision muss sich verbessern, aber das tut sie auch“, sagt Ricardo Gent, Geschäftsführer der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie. Die Fortschritte seien „enorm“. Befürworter wie er warnen, dass die Technik in Europa keine Chance habe, wenn sie als Gentechnik gelabelt wird. Was dann verloren ginge? Gent: „Wir würden die Chance verpassen, gegen Pilze resistentere oder allergikerfreundlichere Sorten zu züchten. Aber nicht nur das. Es geht auch um klimatolerantere Pflanzen, die Dürren wie die jetzige überstehen. Das kriegt man so ohne Weiteres nicht hin.“

Der Europäische Gerichtshof hat mit einer Grundsatzentscheidung verhindert, dass mit neueren Gentechnikverfahren veränderte Lebensmittel ungekennzeichnet in die Supermärkte gelangen. Neuere Methoden der sogenannten gezielten Mutagenese fielen unter die geltenden EU-Regeln, erklärte das oberste EU-Gericht am Mittwoch in Luxemburg (C-528/16). Damit gelten für Lebensmittel, die derart verändert wurden, spezielle Kennzeichnungspflichten. Außerdem müssen beispielsweise Pflanzen, die mit den neuen Verfahren erzeugt wurden, vor der Zulassung auf ihre Sicherheit geprüft werden. (dpa)

Wer sind die größten Kritiker?

„Gentechnik bleibt Gentechnik. Auch neue Verfahren und Produkte müssen entsprechend reguliert und gekennzeichnet werden.“ Das forderten erst vor wenigen Tagen 21 Verbände von Biobauern, Umwelt- und Verbraucherschützern. Auch unter Politikern rumort es. CDU-Bundesagrarministerin Julia Klöckner warnte vor einer „reflexartigen“ Ablehnung der neuen Gentechnik. Svenja Schulze, ihre SPD-Kabinettskollegin aus dem Umweltressort, hingegen will „oberste Priorität für den Schutz der Umwelt und die Gesundheit des Menschen, also ein umfassendes Zulassungsverfahren und die Produktkennzeichnung“.

Sehen Bauern Vorteile?

Die US-Firma Recombinetics hat ein Patent auf Tiere angemeldet, die sich nicht mehr fortpflanzen und vom Bauern nicht mehr zur Zucht genutzt werden können. Er muss dann immer neue Jungtiere kaufen. Das ist die eine Seite. Die andere: Forscher wollen die DNA von Schweinen so ändern, dass ihnen die afrikanische Schweinepest nichts mehr anhaben kann. Der Deutsche Bauernverband jedenfalls betont die Chancen. Präsident Joachim Rukwied: „Die derzeitige Dürre zeigt uns, dass wir neuen Züchtungsmethoden gegenüber aufgeschlossen sein müssen, um beispielsweise hitzebeständigere Sorten anbauen zu können.“

Was kommt in den Supermarkt?

Lebensmittelketten wie Edeka, Lidl und Rewe wollen eine Kennzeichnung für die neue Gentechnik. Das haben sie der EU-Kommission in einem Brief geschrieben. Im Grunde wollen sie Crispr und Co aus dem Laden raus halten. Denn für den Handel rentiert sich die Gentechnik nicht, Verbrauchern schmeckt sie nicht: Rund zwei Drittel der Deutschen halten es laut einer Umfrage des Bundesumweltministeriums eher für problematisch, gentechnisch veränderte Lebensmittel zu essen. Vor allem aber fordern Verbraucher eine Kennzeichnung, damit sie selbst entscheiden können, was sie bekommen.

Den Artikel zum Urteil finden Sie hier: Neue Gentechnik vor dem EuGH: Crispr-Cas unterliegt Auflagen

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