Kritik an Polizeiuniformen: Schwitzen in Schurwolle

Die bayrische Polizeigewerkschaft bemängelt die Qualität der neuen, blauen Uniformen. Bestellt wurden die über das Land Niedersachsen.

Polizisten mit alter und neuer Polizeiuniform stehen nebeneinander

Sollen schnell verwaschen aussehen: blaue Hemden Foto: dpa

HAMBURG taz | Irgendwo in Bayern: Ein Streifenpolizist regelt den Verkehr. Er macht einen Ausfallschritt. Dann ist ein lautes Ratschen zu hören. Der Hosenstoff an seinem Gesäß ist gerissen. „Da steht er bei der Verkehrskontrolle quasi im Freien“, sagt der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Bayern, Rainer Nachtigall. „Für den Kollegen ist das nicht lustig“, sagt er. Die DPolG kritisiert die neuen Polizeiuniformen in Bayern. Warum das in der taz.nord steht? Der Freistaat hat sie in länderübergreifender Zusammenarbeit über das verwaltungsinterne Logistik Zentrum in Niedersachsen bestellt.

Nachtigalls Liste der Mängel ist lang: Die hübschen neuen dunkelblauen Hemden – auch Bayern hüllt seine Polizisten nun nicht mehr in moosgrün-beige – sahen schnell verwaschen und „unansehnlich“ aus. Nähte lösten sich. Und in den heißen Sommermonaten hätten die Beamten vor allem unter dem hohen Schurwolleanteil in den Hosen gelitten. „Es gab von Kolleginnen und Kollegen viele Klagen über die Qualität“, sagt Nachtigall. Zudem sei die Zusammenarbeit mit dem Logistik Zentrum Niedersachsen schwierig gewesen.

Bayern hat für 27.500 Polizisten und 5.600 Justizvollzugsbeamte neue Uniformen bestellt. Die Beamten ordern ihre Größen über ein Onlineportal. Es seien viele Retouren nötig gewesen, weil die Teile in den falschen Größen verschickt worden seien, so Nachtigall. Die DPolG fordert ein eigenes Logistikzentrum, das in Bayern dem Innenministerium untergeordnet ist, damit man besser auf Qualitäts- und Lieferprobleme reagieren könne.

Das niedersächsische Innenministerium kann die Kritik der Gewerkschaft nicht nachvollziehen. Vom bayerischen Innenministerium habe es „keine Kritik und auch keine Regressforderungen“ gegeben, sagt Pressesprecher Bastian Lückfeldt. Zunächst berichtete die Hannoversche Allgemeine Zeitung darüber. Das Logistikzentrum habe 1,36 Millionen Uniformteile an Bayern ausgeliefert. „Die Zahl der Reklamationen, die sich auf Mängel an der Uniform beziehen, belaufen sich dabei auf 1.564.“ Das wären nur etwa 0,1 Prozent. Ein Wert, der laut dem Innenministerium keinen Anlass zur Sorge gebe. „Das Logistikzentrum hat keinen einzigen Artikel ausgeliefert, der nicht der von Bayern vorgegebenen Qualität entsprochen hat“, sagt Lückfeldt.

Niedersächsische Polizisten tragen blaue Uniformen. Die Umstellung auf diese in Europa übliche Farbe begann das Bundesland im Jahr 2006.

Bis 1976 trugen Polizisten in Niedersachsen blau-graue Uniformen.

Danach kam die moosgrün-beige Uniform, die der Modeschöpfer Heinz Oestergaard 1974 entworfen hatte und deren Träger gern als Senfsäcke verspottet wurden.

Von 2006 bis 2008 zog Niedersachsen Hamburg nach und stellte auf blaue Uniformen um, die Luigi Colani und die Modefirma Tom Tailor entworfen hatten.

Die Beschaffung erfolgt für den gesamten Nordverbund, der aus Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen besteht, zentral über das Logistik Zentrum Niedersachsen.

Die insgesamt 24 verschiedenen Uniformteile, darunter Hüte, Hemden und Hosen, werden nicht in Niedersachsen genäht. Das Logistikzentrum arbeitet mit 20 Lieferanten zusammen. Die Teile werden in zehn verschiedenen Ländern in Europa, Asien und Afrika genäht. Genauere Angaben konnte das Innenministerium dazu gestern nicht machen.

Das niedersächsische Zentrum liefert auch Uniformen an Schleswig-Holstein oder Hamburg. Dass sich Bundesländer bei der Beschaffung zusammentun, ist nicht ungewöhnlich. Niedersachsen macht selbst keine Gewinne, wenn es etwa für Bayern mit den Lieferanten verhandelt. Das Logistikzentrum funktioniert wie ein verwaltungsinterner Webshop. „Der Mehrwert der Kooperation ergibt sich daraus, dass gebündelte Einkaufsmengen ein höheres Interesse bei den verschiedenen Herstellern auf dem weltweit agierenden Bekleidungsmarkt wecken“, sagt Lückfeldt. So könnten bessere Preise erzielt werden.

Selbst wenn es an den bayerischen Uniformen, die pro Stück rund 1.000 Euro kosten, Mängel geben sollte, wären hiervon die Polizisten im Norden nicht betroffen. Die tragen eine andere Uniformlinie.

Kein Anlass zur Beschwerde

Aber auch das bayerische Innenministerium kann die Kritik der Gewerkschaft nicht recht nachvollziehen: „Unsere neue Polizeiuniform ist erheblich besser als die alte Uniform“, sagt Ministeriumssprecher Michael Siefener. So sehe das auch die große Mehrheit der Polizisten in Bayern. „Für eine Beschwerde gab es bislang keinen Anlass.“

Die Bayerische Bereitschaftspolizei habe im August eine Servicestelle eingerichtet. Dort könnten sich Polizisten melden, wenn sie Beschwerden oder Verbesserungsvorschläge für die Dienstkleidung hätten. Bislang seien dort 287 E-Mails eingegangen. Bei 27.500 Polizisten, die neue Uniformen bekommen haben, sei diese Zahl jedoch „weder ungewöhnlich, noch besorgniserregend“, sagt Siefener.

Die Rückmeldungen würden ausgewertet, um die Dienstkleidung weiterzuentwickeln. Niedersachsen sei für die Zusammenarbeit ausgewählt worden, weil das dortige Logistikzentrum „kostendeckend und ohne Gewinnerzielungsabsicht“ arbeite. „Damit konnte der Betrieb nicht nur durch Erfahrung und Zuverlässigkeit, sondern auch durch den wirtschaftlichen Aspekt überzeugen“, sagt Siefener. Die Zusammenarbeit mit dem Logistikzentrum läuft noch bis Ende 2021. „Wie es danach weiter geht, ist noch nicht entschieden.“ Ausgeschlossen ist ein eigenes bayerisches Logistikzentrum damit nicht.

Nachtigall von der DPolG sieht darin die beste Möglichkeit, um die Qualität zu verbessern. Den Einschätzungen des Ministeriums mag er nicht glauben. „Das empfinden die Kolleginnen und Kollegen anders“, sagt er. Es sei das eine, mit einer Polizeiuniform am Schreibtisch zu sitzen, aber eine ganz andere Belastung für das Material, wenn Streifenpolizisten damit draußen im Einsatz seien. „Ich würde da mehr denjenigen vertrauen, die im Schichtdienst arbeiten.“

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