Kommentar von Ulrich Schulte zu Wagenknechts Rückzug bei „Aufstehen“
: Von Anfang an ein Egoprojekt

Sahra Wagenknecht will nicht mehr. Nun, da sich mit der Bewegung „Aufstehen“ keine Publicity mehr generieren lässt, kein großes Interview, kein Talkshow-Auftritt, nun, da also die Mühen der Ebene drohen, zieht sich die prominente Linke aus den Führungsgremien zurück. Das, was von Anfang an auch ein Egoprojekt war, um Wagenknechts Macht in der Linkspartei auszubauen, taugt als solches nicht mehr – also darf die Basis übernehmen. Wie durchschaubar, wie aussagekräftig und wie traurig.

Wagenknechts angebliche Sammlungsbewegung krankte an mehreren Konstruktionsfehlern. Schon die Idee, eine Graswurzelinitia­tive ließe sich von oben anordnen von Spitzenpolitikerin, hat etwas Absurdes. Eine echte Bewegung entsteht unten, durch das Engagement vieler – siehe Fridays for Future – und nicht durch gezielte Planung wichtiger Leute.

Wagenknechts Rolle schadete von Beginn an den Anliegen der „Aufstehen“-Leute. Die Spekulationen über ihre wahren Motive rissen nicht ab. Ging es Wagenknecht um Hilfe von der Straße für innerparteiliche Machtkämpfe? Hoffte sie auf Rückenwind für ihren auf den Nationalstaat fokussierten Ansatz, der Migration stark einschränken will? Bereitete sie gar die Gründung einer eigenen Partei vor? Denkbar war alles, und Wagenknecht waren die Mutmaßungen nicht unrecht. So blieb sie im Gespräch.

Auch der Gedanke, ausgerechnet Wagenknecht könne eine Sammlungsbewegung gründen, die von Sozialdemokraten und Grünen unterstützt wird, ist absurd. Die prominente Linke nutzte ihr Talent in der Vergangenheit eben nicht, um eine Perspektive links der Mitte zu schaffen. Sondern sie tat mit hämischen Angriffen auf SPD und Grüne viel dafür, dass Rot-Rot-Grün im Bund bis heute keine echte Perspektive ist. Die, die jetzt beklagt, andere Parteien hätten sich eingemauert, ist selbst eine Großmeisterin des Betons.

Die Nonchalance, mit der sich Wagenknecht jetzt vom Acker macht, hat etwas Unernstes. Wagenknecht hat sich als Ideengeberin und Frontfrau von „Aufstehen“ präsentiert. Aus einer solchen Rolle erwächst Verantwortung. Sie enttäuscht nun all jene, die ihret­wegen auf die Straße gegangen sind. Denn eines zeigt „Aufstehen“ eindrucksvoll: Es gibt ein großes Bedürfnis, sich jenseits der Parteien für linke Politik zu engagieren, glücklicherweise.

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