Routine oder Renitenz

In München treffen sich Mieterinitiativen und Verbände zur vierten Konferenz des „Netzwerks Mieten & Wohnen“. Auf dem Abschlusspodium geht es um bessere Vernetzung – doch die entscheidenden Fragen bleiben aus

Mietenprotest in München am Samstag Foto: Sven Hoppe/dpa

Aus München Martin Reeh

Am Samstagnachmittag, als in Berlin mehrere zehntausend Menschen gegen hohe Mieten demonstrierten, protestierten auf dem Münchner Leonrodplatz vielleicht 300 Menschen. Als Immobilienspekulanten verkleidete Demonstranten trugen symbolisch das „Münchner Kindl“ zu Grabe.

„Wenn München die Stadt des Mietenwahnsinns ist, dann ist Berlin die Stadt der wohnungspolitischen Renitenz“, hatte der Stadtplaner Robert Kaltenbrunner am Vortag den vierten Kongress des „Netzwerk Mieten & Wohnen“ mit rund 150 Teilnehmern eröffnet. In ihm koordinieren sich seit wenigen Jahren wichtige Mieteraktivisten und Verbände wie der Deutsche Mieterbund. Dieses Jahr traf man sich in München, gleich aus mehreren Gründen: nicht nur weil die bayerische Landeshauptstadt die Stadt der höchsten Mieten ist, sondern auch, weil die städtische Politik seit Langem Antworten auf das Problem sucht – etwa im Vorgehen gegen Airbnb. Nicht zuletzt hatte die „Ausspekuliert“-Demonstration im vergangenen Herbst mit über 10.000 Teilnehmern die Hoffnung genährt, auch im bislang ruhigen München könnte sich eine größere Mieterbewegung etablieren.

Zwei Tage ging es in Workshops um den Aufbau vom Mieterinitiativen, die Be­kämpfung von Obdachlosigkeit und ­kommunale Wohnungspolitik. Den spannendsten Punkt versprach die Podiumsdiskussion zum Abschluss mit der Frage, wie die Bündnisse ­gegen ­Wohnungsnot mehr Durchschlagskraft bekommen ­könnten.

Die spärlich besuchte Kundgebung in München bot eigentlich eine Steilvorlage: Warum ist der Protest dort, wo die Mieten am höchsten sind, geringer als in Städten wie Berlin? Und warum steigen Mieten trotz einer mieterfreundlichen Stadtverwaltung – gibt sich die Zivilgesellschaft möglicherweise mit zu wenig zufrieden? Aber die Debatte blieb aus. „Es hat uns vom Hocker gerissen, dass wir im letzten Herbst so viele mobilisieren konnten“, sagte Jennifer Wallace von „ausspekuliert“. Simone Burger (DGB München) sprach davon, dass „Offenheit und Vertrauen“ für die Zusammenarbeit mit den Initiativen notwendig seien. Obwohl das Mietenthema in München schon „immer da war“, war sie vom großen Zulauf für „ausspekuliert“ überrascht.

„Die Lust, Bündnisse zu schmieden, steigt“

Lukas Siebenkotten, Deutscher Mieterbund

Magnus Hengge von Berliner Initiative Bizim Kiez äußerte sich dagegen enttäuscht über die Zusammenarbeit mit den Verbänden. Diese seien davon überrascht, „wie stark die Aufwallung von unten ist“. Viele lokale Ableger des Mieterbundes beschränkten sich auf die rechtliche Beratung, die politische Unterstützung bleibe aus. Viele Mieterinitiativen seien oft durch die Koordinierungsarbeit mit anderen Gruppen zeitlich überfordert.

Mieterbund-Bundesdirektor Lukas Siebenkotten pflichtete ihm teilweise bei: Der Mieterbund sei „nicht in der Lage, alleine 30.000 Menschen auf die Straße zu bringen“. Noch vor einiger Zeit habe der DMB vertreten, dass man nicht mit anderen zusammenarbeiten müsse. „Die Lust, mit anderen Bündnisse zu schmieden, steigt aber.“

Stephan Nagel (Diakonisches Werk Hamburg) meinte, soziale Bewegungen machten die „Spielräume für die großen Tanker“, also den Mieterbund oder Parteien, größer. Das klang nach traditionell linker Bewegungstheorie. Dabei ging die Sensation des Wochenendes, nämlich das „Deutsche Wohnen & Co enteignen“-Volksbegehren in Berlin, von Leuten wie Rouzbeh Taheri aus, die weder in der Initiativszene noch den Verbänden richtig zu Hause sind. Vielleicht besteht der Konflikt in der Mieterbewegung daher gar nicht zwischen Initiativen und Verbänden, sondern in der Frage, ob man kreativ ist – und die große Konfrontation mit der Immobilienwirtschaft sucht.