Deutsche Wohnen im Angriffsmodus
Erstmals treffen der Chef der Deutsche Wohnen, Michael Zahn, und Rouzbeh Taheri von der Enteignungsinitiative aufeinander – und schenken sich nichts. Unterdessen gelingt dem Konzern ein Erfolg in seinem Feldzug gegen den Mietspiegel. Von Erik Peter
In ihrem jahrelangen Kampf gegen den Berliner Mietspiegel hat die Deutsche Wohnen einen Erfolg erzielt. Das Landgericht hat dem Konzern in einem Prozess am Mittwoch recht gegeben. Berlins größter privater Vermieter kann damit in dem konkreten Fall eine Mieterhöhung oberhalb des Mietspiegels durchsetzen.
Geklagt hatte die Gehag, ein Tochterunternehmen der Deutschen Wohnen, gegen einen Mieter in der Argentinischen Allee in Zehlendorf. Dieser hatte eine über dem Mietspiegel 2015 liegende Mieterhöhung nicht akzeptiert und in der ersten Instanz auch Erfolg gehabt. Nun aber muss er die Erhöhung um 42,83 Euro auf 575,35 Euro akzeptieren, so das Landgerichts.
Die Richterin folgte dem Gutachten eines von der Deutschen Wohnen beauftragten Statistikprofessors, der Berechnungen anhand vergleichbarer Wohnungen aus dem Bestand des Konzerns angestellt hatte. Dies habe er „nachvollziehbar geschildert“, hieß es in dem Urteil.
Für die Erstellung des alle zwei Jahre erscheinenden Mietspiegels gibt es nicht die eine wissenschaftliche Methode. Stattdessen nimmt die zuständige Arbeitsgruppe Mietspiegel beim Senat, die sich aus Sachverständigen sowie Vertretern von Mieter- und Vermieterverbänden zusammensetzt, fortlaufende Anpassungen vor. Der Berliner Mietspiegel weist anhand der Auswertung von 75 Prozent der mittleren Mieten ortsübliche Vergleichsmieten aus. Sein Ziel ist es, Mieterhöhungen zu begrenzen. Dies steht im Gegensatz zur maximalen Renditeerwartung der börsennorientierten Deutsche Wohnen.
Dass ein Gutachten über die kontinuierliche Arbeit am Mietspiegel erstellt wird, hält Reiner Wild, Chef des Berliner Mietervereins und Mitglied der Arbeitsgruppe, für fahrlässig. Das Gutachten habe „mit Wissenschaft nichts zu tun“. Allgemeine Konsequenzen ergeben sich aus dem Urteil indes nicht. So spricht auch Wohnstaatssekretär Sebastian Scheel auf taz-Anfrage von einer „Einzelfallentscheidung“, die nichts daran ändere, dass der „Mietspiegel weiterhin die wesentliche Grundlage zur Ermittlung von rechtmäßigen Miethöhen“ bleibe. Er fügte hinzu: „Ich bedaure, dass die Deutsche Wohnen durch diese Art der Auseinandersetzung die Mieterinnen und Mieter verunsichert.“
Das am vergangenen Wochenende gestartete Volksbegehren zur Enteignung privater Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen hat wohl die benötigte Zahl von Unterstützern erzielt. „Wir gehen davon aus, dass wir höchstwahrscheinlich schon 20.000 gültige Unterschriften gesammelt haben“, sagte der Sprecher der Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“, Rouzbeh Taheri. (epd)
Wild befürchtet, dass das Urteil private Vermieter motiviere, weitere Klagen gegen den Mietspiegel anzustrengen, so etwa gegen den neuen Mietspiegel, der Mitte Mai vorgestellt werden soll. Der Stadtforscher Andrej Holm kommentierte das Urteil auf Twitter: „Die Deutsche Wohnen sammelt Enteignungspunkte.“