Deutsche Wohnen im Angriffsmodus

Erstmals treffen der Chef der Deutsche Wohnen, Michael Zahn, und Rouzbeh Taheri von der Enteignungsinitiative aufeinander – und schenken sich nichts. Unterdessen gelingt dem Konzern ein Erfolg in seinem Feldzug gegen den Mietspiegel. Von Erik Peter

Hai frisst Haus: Mietendemo am 6. April Foto: Stefan Boness/Ipon

In ihrem jahrelangen Kampf gegen den Berliner Mietspiegel hat die Deutsche Wohnen einen Erfolg erzielt. Das Landgericht hat dem Konzern in einem Prozess am Mittwoch recht gegeben. Berlins größter privater Vermieter kann damit in dem konkreten Fall eine Mieterhöhung oberhalb des Mietspiegels durchsetzen.

Geklagt hatte die Gehag, ein Tochterunternehmen der Deutschen Wohnen, gegen einen Mieter in der Argentinischen Allee in Zehlendorf. Dieser hatte eine über dem Mietspiegel 2015 liegende Mieterhöhung nicht akzeptiert und in der ersten Instanz auch Erfolg gehabt. Nun aber muss er die Erhöhung um 42,83 Euro auf 575,35 Euro akzeptieren, so das Landgerichts.

Die Richterin folgte dem Gutachten eines von der Deutschen Wohnen beauftragten Statistikprofessors, der Berechnungen anhand vergleichbarer Wohnungen aus dem Bestand des Konzerns angestellt hatte. Dies habe er „nachvollziehbar geschildert“, hieß es in dem Urteil.

Für die Erstellung des alle zwei Jahre erscheinenden Mietspiegels gibt es nicht die eine wissenschaftliche Methode. Stattdessen nimmt die zuständige Arbeitsgruppe Mietspiegel beim Senat, die sich aus Sachverständigen sowie Vertretern von Mieter- und Vermieterverbänden zusammensetzt, fortlaufende Anpassungen vor. Der Berliner Mietspiegel weist anhand der Auswertung von 75 Prozent der mittleren Mieten ortsübliche Vergleichsmieten aus. Sein Ziel ist es, Mieterhöhungen zu begrenzen. Dies steht im Gegensatz zur maximalen Renditeerwartung der börsennorientierten Deutsche Wohnen.

Dass ein Gutachten über die kontinuierliche Arbeit am Mietspiegel erstellt wird, hält Reiner Wild, Chef des Berliner Mietervereins und Mitglied der Arbeitsgruppe, für fahrlässig. Das Gutachten habe „mit Wissenschaft nichts zu tun“. Allgemeine Konsequenzen ergeben sich aus dem Urteil indes nicht. So spricht auch Wohnstaatssekretär Sebastian Scheel auf taz-Anfrage von einer „Einzelfallentscheidung“, die nichts daran ändere, dass der „Mietspiegel weiterhin die wesentliche Grundlage zur Ermittlung von rechtmäßigen Miethöhen“ bleibe. Er fügte hinzu: „Ich bedaure, dass die Deutsche Wohnen durch diese Art der Auseinandersetzung die Mieterinnen und Mieter verunsichert.“

Das am vergangenen Wochenende gestartete Volksbegehren zur Enteignung privater Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen hat wohl die benötigte Zahl von Unterstützern erzielt. „Wir gehen davon aus, dass wir höchstwahrscheinlich schon 20.000 gültige Unterschriften gesammelt haben“, sagte der Sprecher der Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“, Rouzbeh Taheri. (epd)

Wild befürchtet, dass das Urteil private Vermieter motiviere, weitere Klagen gegen den Mietspiegel anzustrengen, so etwa gegen den neuen Mietspiegel, der Mitte Mai vorgestellt werden soll. Der Stadtforscher Andrej Holm kommentierte das Urteil auf Twitter: „Die Deutsche Wohnen sammelt Enteignungspunkte.“

D as Kapital, so heißt es, sei scheu wie ein Reh. Sind die Geschäfte noch so schmutzig, die Profiteure mögen es behaglich. Fast darf es also als mutig betrachtet werden, dass auf die Konferenz der Immobilienverbände und Thinktanks ReCon am Mittwochabend am Potsdamer Platz in Berlin jemand wie Rouzbeh Taheri eingeladen war, einer der Initiatoren des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co enteignen“.

In geschützter Atmosphäre vor etwa 300 Wirtschaftsanwälten und anderen Anzugträgern im Publikum und durch zwei weitere Podiumsgäste getrennt, wagte sich der Chef der Deutsche Wohnen, Michael Zahn, zum Streitgespräch mit Taheri auf die Bühne. Das „Agenda Setting hat die Immobilienbranche bereits verloren“, sagte der Eröffnungsredner Christian Schulz-Wulkow, Leiter des Immobiliensektors von Ernst & Young: Bundesweit werde über Enteignungen geredet.

Zahn reagierte von Beginn an gereizt, bezeichnete seinen Konkurrenten wiederholt als „ideologisch“ und „aggressiv“. Trotzig sagte er: „Herr Taheri, wir lassen uns nicht enteignen und werden nicht enteignet.“ Die Erwiderung kam prompt: „Das entscheiden die Berliner.“

Auch Taheri, der nach eigener Aussage nicht gekommen war, um zu überzeugen, sondern um der Immobilienlobby „die Wahrheit zu sagen“, ließ kein Bedürfnis nach Harmonie erkennen: „Wenn Sie so weitermachen, wird in fünf Jahren die Enteignung Ihr kleinstes Problem sein“. Der Deutsche Wohnen warf er vor, nach der Übernahme der ehemals kommunalen Wohnungsbaugesellschaft GSW 2013 mit „Arroganz in die Stadt eingefallen zu sein“. Der Konzern habe die Gesprächsgesuche von MieterInnen, Politik und Öffentlichkeit über Jahre ignoriert. Das Volksbegehren sei eine Folge der fehlgeschlagenen Dialogversuche.

Zahn verwies auf Mieterversammlungen und Vereinbarungen mit Bezirken, die der Konzern abgeschlossen habe. Auch sei die Durchschnittsmieterhöhung von 6 Prozent in den letzten sechs Jahren keine aggressive Mietenpolitik. Einen „Mietenwahnsinn“ sehe er nicht, dafür einen „Medienwahnsinn“. Das eigentliche Problem sei ein „ideologisch besetztes“ Stadtentwicklungsressort, das notwendigen Neubau verhindere. Es war an Taheri, daran zu erinnern, dass die Deutsche Wohnen in Berlin bislang keine Wohnungen gebaut habe. Das Unternehmen sei bloß ein Spekulationskonzern, der Wohnungen kauft, „um die Preise in die Höhe zu treiben“. Auf die Frage, was Enteignung denn bringe, sagte Taheri: „Eine halbe Million Menschen kann nachts besser schlafen.“