Freundliche Übernahme

AUSHILFEN In der katholischen Diaspora werden die Pfarrer knapp. Bei Beerdigungen springen geschulte Laien ein – und gewinnen so allmählich an Einfluss in der Kirche

■ Nach katholischem Verständnis ist die Beerdigung kein Sakrament, sie muss deshalb nicht von einem Priester geleitet werden.

■ In der evangelischen Kirche sind nach wie vor die Pastoren für den Trauergottesdienst zuständig.

■ Im Bistum Hildesheim, das von Cuxhaven bis nach Hann. Münden reicht, gibt es an 30 Kirchorten ehrenamtliche Beerdigungsleiter.

■ Im Bistum Osnabrück gibt es noch keine ehrenamtlichen Beerdigungsleiter.

■ In Bremen bestatten seit einiger Zeit ebenfalls Frauen Verstorbene – sie arbeiten als Pastoralreferenten hauptamtlich für die katholische Kirche und entlasten durch die Leitung von Trauerfeiern die wenigen örtlichen Pfarrer.  GÖR

VON JOACHIM GÖRES

In der Katholischen Kirche Nordharz gestalten in erster Linie fünf ehrenamtliche Beerdigungsleiter die Trauerfeiern. Die zwei Pfarrer der Großgemeinde sind froh, dass geschulte Laien sich um die Begräbnisse kümmern – vom Trauergespräch mit den Angehörigen über die Trauerfeier und Beisetzung bis zur Teilnahme am Beerdigungskaffee.

„Für die meisten Angehörigen ist der Termin der Beerdigung wichtig“, sagt Barbara Schwinum. „Die sind froh, wenn einer von uns Ehrenamtlichen ihren Wunschtermin übernehmen kann.“ Die 58-Jährige aus Liebenburg leitet nach einer zweijährigen Fortbildung seit 2008 Bestattungen. Sie hat schon mehr als 30 Menschen beigesetzt.

„Ich erlebe viel Dankbarkeit, weil ich mir Zeit nehmen kann, die der Pfarrer oft nicht hat“, sagt die Realschullehrerin Schwinum. „Außerdem ist für viele Katholiken das Gespräch mit mir einfacher und lockerer als mit einem heiligen Pfarrer.“

Bei den Begräbnissen trägt sie ein weißes Gewand und hat immer eine große Osterkerze dabei, als Zeichen des Glaubens an die Auferstehung. In ihren Worten zu den Angehörigen und Freunden in der Kirche geht es ihr darum, den Trauernden den Abschied zu erleichtern, und nicht darum, eine objektive Bilanz eines Lebens zu ziehen und Schwächen aufzudecken.

Barbara Schwinum wäre selber gerne Priesterin geworden. „Ich finde nicht gut, dass in unserer Kirche so viele Männer entscheiden. Das war ein Grund für mich, die Tätigkeit des ehrenamtlichen Beerdigungsleiters zu übernehmen.“ Seitdem fühlt sich Schwinum als Frau ernster genommen und in ihrer Kirche mehr zu Hause, mit der sie nicht selten gehadert hat. Ein Anlass genug, sich intensiv mit dem Thema Tod auseinanderzusetzen, war eine Krebserkrankung.

Wegen des Priestermangels übernehmen Laien in einigen Gemeinden auch immer mehr andere Aufgaben und gewinnen dadurch an Einfluss. In der Pastoralkonferenz für den Nordharz sind die Hauptamtlichen in der Minderheit. Barbara Schwinum und andere Laien gestalten einmal im Monat einen Wortgottesdienst ohne Pfarrer. In kleinen Gemeinden leiten ehrenamtliche Ortsbeiräte allein die Gemeindearbeit und entscheiden über die Schwerpunkte.

„Das ist eigentlich ein begrüßenswertes Modell und müsste ausgebaut werden, doch ich habe eher den Eindruck, dass das eine Showveranstaltung ist“, sagt Peter Sutor von der Laienorganisation „Wir sind Kirche“ in Hannover. „Die kirchliche Hierarchie hat nach wie vor Angst, Macht abzugeben.“ Sutor verweist darauf, dass kürzlich der Pfarrgemeinderat in Soltau eine geplante Diskussion mit einem kritischen Pfarrer aus Wien auf massiven Druck des Hildesheimer Bischofs Norbert Trelle absagte. Dabei soll die Kirchenleitung auch gedroht haben, den Pfarrgemeinderat abzusetzen oder den Pfarrer strafzuversetzen.

Barbara Schwinum betont dagegen die Chancen: „Der wachsende Einfluss der Laien ist die Zukunft der katholischen Kirche. Eine andere Möglichkeit bleibt nicht.“