Frauenfeindlichkeit unter Flüchtlingen: Grüne streiten über Machos

Zwei Grünen-Abgeordnete fordern „ehrliche Debatte“ der Partei über frauenfeindliche Flüchtlinge. Chefin Baerbock widerspricht.

Flüchtlinge

Die Grünen debattieren über das Frauenbild Geflüchteter, hier eine Gruppe in Bayern Foto: dpa

BERLIN taz | Konservative werfen den Grünen gerne Multikulti-Romantik vor. Jene, heißt es dann, ignorierten gerne Probleme mit Flüchtlingen, weil sie als humane Weltverbesserer dastehen wollen. Jetzt erheben zwei Grünen-Bundestagsabgeordnete einen ähnlichen Vorwurf – gegen ihre eigene Partei. Zu einer ehrlichen Debatte gehöre, „dass auch wir Befürworter*innen der Einwanderungsgesellschaft uns fragen, was für ein Frauenbild manche Gruppen haben, die zu uns kommen“, schreiben Ekin Deligöz und Manuela Rottmann in einem Diskussionspapier.

Die beiden fordern, dass die Grünen Frauenfeindlichkeit von muslimischen Geflüchteten nicht ignorieren dürften. „Dass Gewalt gegen Frauen durch deutsche Täter seit jeher ein gravierendes Problem ist, darf nicht dazu führen, dass wir die Frage nach dem ‚eingewanderten Frauenbild‘ gar nicht erst stellen.“ Viele Geflüchtete kämen aus muslimisch geprägten Gesellschaften, die stark patriarchalisch geformt seien. Es sei nicht tolerierbar, wenn bestimmte Gruppen ihre Geringschätzung oder völlige Missachtung von Frauenrechten aus kulturell-religiösen Werten speisten, so Deligöz und Rottmann. „Einen ‚kulturellen Freischein‘ für Frauenfeindlichkeit gibt es nicht.“ Die Grünen müssten klar genug sein gegenüber Migranten mit einem reaktionären Frauenbild.

Baerbock wiegelt ab

Reden die Grünen nicht ehrlich genug über frauenfeindliche Migranten? Die Grünen-Spitze wollte am Montag keine Fehler erkennen. „Wir haben als Grüne ja im letzten Jahr auch sehr deutlich gemacht, dass nichts und zwar gar nichts Gewalt gegen Frauen rechtfertigt“, sagte Parteichefin Annalena Baerbock – weder Alkohol noch ein Ehekrach oder eine traumatische Fluchterfahrung. Die Grünen stellten Frauenrechte und Flüchtlingsschutz nicht gegeneinander, beides seien zentrale Anliegen, sagte Baerbock. Die Parteivorsitzende hatte im Dezember in einem viel diskutierten Interview gefordert, der Rechtsstaat müsse bei straffälligen Geflüchteten konsequent durchgreifen – und entsprechend gut ausgestattet werden.

Der Vorstoß der beiden Abgeordneten stieß in der Partei auch auf Kritik. Die Grünen führten die Debatte seit langer Zeit intensiv, widersprach Gesine Agena, Vizevorsitzende und im Vorstand für Frauenpolitik zuständig. „Die Unterstellung, das sei für uns Grüne bisher kein Thema gewesen, ist Quatsch.“ Bei der Debatte komme es auf die Tonalität an. „Worte müssen bedächtig gewählt werden, damit sie nicht Vorurteile schüren.“ Das sei in dem Papier „nicht ganz gelungen“, sagte Agena. Im Übrigen seien alle inhaltlichen Vorschläge ihrer Parteifreundinnen lange Beschlusslage.

In der Tat fordern Deligöz und Rottmann zwar eine ehrlichere Debatte über Probleme mit Flüchtlingen, aber neue inhaltliche Vorschläge machen sie nicht. Beide wollen zum Beispiel Polizei und Gerichte personell besser ausstatten, sonst bleibe die Forderung nach der vollen Härte des Gesetzes „eine leere Floskel“. Auch fehle es an einer flächendeckenden, qualifizierten Notfallversorgung für von Gewalt bedrohte oder betroffene Frauen. „Es gibt viel zu wenig Schutzplätze in Frauenhäusern und zu wenig spezifische Beratungsstellen.“ Außerdem brauche es Gewaltschutzsysteme in Flüchtlingseinrichtungen. All das hat man von Grünen schon gehört.

Mit ihrem Gefühl, dass es mehr Ehrlichkeit brauche, sind Deligöz und Rottmann allerdings nicht allein. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer rät seiner Partei seit Langem, Probleme mit Geflüchteten offener anzusprechen. Er erntete damit im Rest der Partei Kritik und Unverständnis.

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