Kommentar Tübinger OB Boris Palmer: Shitstorm gewollt – und bekommen

Der neueste Ausfall des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer zu einem PR-Foto der Bahn zeigt: Es geht um Verteilungsfragen.

Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen (Bündnis 90/Die Grünen), begrüßt Unterstützer der Bürgerinitiative "Stadtteiltreff in Schönblick/Winkelwiese" vor der Landesversorgungsanstalt der Ärzte

Welche Gesellschaft soll dieser Mann abbilden? Foto: dpa

Mal wieder Boris Palmer. „Welche Gesellschaft soll das abbilden?“, fragte er zu einem PR-Foto der Bahn, das vor allem eins zeigte: Menschen in der Bahn. Einige von ihnen prominent, wie Starkoch Nelson Müller, Moderatorin Nazan Eckes oder Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg. Was Palmer daran offenbar „nicht nachvollziehbar“ findet: Abgebildet sind vor allem People of Color. Die einzige weiße Person, Rosberg, hat Migrationshintergrund.

Den Shitstorm hat Palmer gewollt, und er hat ihn bekommen. Soll man über sein „Stöckchen springen?“, fragen viele. Die Antwort ist: Nein. Doch an diesem Beispiel zeigt sich eins ganz deutlich: Es geht um Verteilungsfragen.

Menschen wie Boris Palmer – wir kennen sie zur Genüge. Mittelalt, weiß, Männer. Seit je dominieren sie nicht nur Politik und Wirtschaft, sondern auch Medien und Werbung. Sie sind, vollkommen unabhängig von realen Begebenheiten, das vorprogrammierte Gesicht unserer Gesellschaft.

Dass sich das endlich ändert, ist gut. Es bedeutet aber auch, dass diejenigen, denen die prominenten Plätze immer ganz selbstverständlich zugefallen sind, nun mit anderen konkurrieren müssen. Mit denen, die viel zu lange nicht vorgekommen sind.

Bahn-Werbung

Um diese Bahnwerbung ging es bei Boris Palmers neuestem Ausfall Foto: dpa

Ja, auf dem Werbefoto der Bahn sieht niemand aus wie Boris Palmer. Oder wie die vielen anderen Menschen, denen es missfällt, wenn sie selbst und ihresgleichen nicht mehr das Maß aller Dinge sind. Solange die Abgebildeten in Film und Werbung ihnen ähnelten, war für viele die Welt in bester Ordnung. Seit lange unsichtbar gemachte Gruppen ihren Platz einfordern, heißt es empört: Was ist mit der Proportionalität? Die Debatte, die Palmer da führen will; sie hat einen Namen. Und der lautet: Rassismus.

Die Grünen täten gut daran, das Verhalten ihres Parteikollegen als solches zu benennen, statt nur die Werbung der Deutschen Bahn zu begrüßen, wie Geschäftsführer Michael Kellner es getan hat. Im zweiten Schritt sollte die Partei endlich ernsthaft darüber nachdenken, ob Rassismus in ihren Reihen einen Platz hat oder nicht.

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leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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