Kleine Höfe brauchen weniger Antibiotika

In großen Ställen werden Tiere häufiger mit Antibiotika behandelt als in kleinen Betrieben. Das muss jetzt auch das CDU-geführte Agrarministerium zugeben

Auch Kälbern geht es besser mit frischer Luft statt engem Stall und Antibiotika Foto: Kraufmann & Kraufmann/imago

Von Jost Maurin

Kleine Bauernhöfe behandeln ihre Tiere seltener mit Antibiotika als große Betriebe. Diese langjährige Behauptung von Umweltschützern wird jetzt auch durch einen Bericht des Bundeslandwirtschaftsministeriums belegt.

Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung trägt den Behörden zufolge dazu bei, dass krankmachende Bakterien unempfindlich gegen die Medikamente werden. In Deutschland sterben laut einer von der EU finanzierten Studie jährlich etwa 2.400 Menschen, weil sie sich mit einem resistenten Keim infiziert haben. Unklar ist nur, wie hoch der Anteil der Landwirtschaft an der Bildung von Resistenzen ist.

Seit April 2014 müssen Mastbetriebe mit Rindern, Schweinen, Hühnern und Puten melden, wie häufig sie Antibiotika einsetzen – und gegebenenfalls, wie sie die Zahlen senken wollen. Der bisher nicht offiziell veröffentlichte Bericht des Ministeriums, der der taz vorliegt, zieht eine Bilanz über den Zeitraum von 2014 bis 2017.

Dabei kommt er zu dem Schluss, „dass Tiere aller Nutzungsarten in großen Betrieben häufiger antibiotisch behandelt wurden als in kleinen Betrieben“. Vor allem in der Kälber- und der Schweinehaltung fielen überproportional viele Höfe mit sehr hohen Viehzahlen negativ auf. 34 Prozent der größten Kälberbetriebe gehörten zu dem Viertel mit den häufigsten Behandlungen, wie gut versteckt in einem Anhang des Berichts steht.

Bei Mastferkeln hätten 14 Prozent der großen Betriebe kontinuierlich zu denjenigen mit den meisten Behandlungen gezählt. Als „groß“ gilt das Drittel aller Betriebe, das die meisten Tiere der jeweiligen Art hat. Bei Mastferkeln sind das die Höfe mit rund 1.300 bis 50.700 Schweinen, die höchstens 30 Kilogramm wiegen.

Woher die Unterschiede kommen, löst der Bericht nicht auf. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Friedrich Ostendorff, aber erklärte: „In der intensiven Agrarindustrie leben die Tiere in drangvoller Enge, ohne Einstreu, Beschäftigung und Zugang nach draußen auf ihren eigenen Exkrementen. Deshalb müssen sie so häufig mit Antibiotika behandelt werden.“

Tatsächlich halten kleinere Betriebe etwa ihre Milchkühe häufiger auf der Weide: Auf Höfen mit weniger als 200 Kühen durften laut Statistischem Bundesamt 2009 zwischen 40 und 50 Prozent der Tiere auf die Weide. In Betrieben mit 500 und mehr waren es lediglich 7 Prozent. „40.000 Masthühner auf der Weide zu halten, funktioniert nicht. Und deshalb macht es auch keiner“, sagte Ostendorff.

Der Deutsche Bauernverband widersprach: „Entscheidend ist aus unserer Sicht nicht so sehr die Größe des Betriebs, sondern das einzelbetriebliche Management des Tierhalters“, teilte Generalsekretär Udo Hemmerling mit.

„Die Zahlen zeigen insgesamt deutliche Fortschritte, vor allem in der Schweinehaltung“, so Hemmerling weiter. Tatsächlich ging der Antibiotika-Einsatz dem Bericht zufolge bei Schweinen und Ferkeln vom zweiten Halbjahr 2014 bis zum zweiten Halbjahr 2017 von knapp über 200 Tonnen auf rund 112 Tonnen zurück. Bei Hühnern und Puten sowie bei Kälbern blieben die verabreichten Mengen aber fast unverändert.

Laut einer Studie sterben in Deutschland jährlich 2.400 Menschen, weil sie sich mit resistenten Keimen anstecken

Problematisch ist auch, dass rund 40 Prozent der beim Geflügel eingesetzten Menge an Antibiotika zu den sogenannten Reserve-Antibiotika gehören. Das sind Medikamente, die die Weltgesundheitsorganisation als besonders wichtig für die Behandlung von Menschen stuft.

„Wir fordern, die Haltungsbedingungen den Tieren anzupassen“, sagte der Grüne Ostendorff. „Schweine, Hühner und Kühe müssen an die Luft, Kontakt zum Boden haben und artgerecht leben dürfen.“ Dazu sollten die Vorschriften geändert werden. Reserveantibiotika dürften nicht mehr in der Tierhaltung eingesetzt werden. Klöckner müsse kleine und mittlere Betriebe stärker fördern.

Darauf ging die CDU-Politikerin in ihrer Stellungnahme nicht ein. Sie verwies vielmehr darauf, dass die Raten resistenter Keime „in vielen Bereichen der Tierhaltung und der Lebensmittel“ abnehmen würden. Dem Minimierungskonzept der Bundesregierung sei es auch zu verdanken, dass „die Antibiotikaabgabemengen in der Tiermedizin zwischen 2011 und 2017 um 57 Prozent“ gesunken seien.

„Daran arbeiten wir weiter. Der Einsatz von Antibiotika generell und insbesondere die Anwendung sogenannter Reserveantibiotika muss hier restriktiver werden“, sagte Klöckner. Der Evaluierungsbericht soll im Juni dem Kabinett vorgelegt und dann offiziell veröffentlicht werden.