Bahn frei für mehr Klimaschutz

Statt 10 Euro pro Tonne CO2 einigen sich Bund und Länder auf 25 Euro. Autofahren und Heizen mit fossilen Kraftstoffen wird so deutlich teurer. Im Gegenzug sinkt der Strompreis

Im Stau zu stehen kostet neben Nerven künftig auch noch mehr Geld: 2021 steigt der Spritpreis um gut 7 Cent Foto: Michael Kappeler/dpa

Aus Berlin Malte Kreutzfeldt

Es sind ganze 20 Zeilen Text, auf die sich die Unterhändler von Bund und Ländern in der Nacht zu Montag geeinigt haben, doch die haben es in sich. Gegen 1 Uhr in der Nacht soll Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) sie persönlich in seinen Laptop getippt haben, nachdem er zuvor mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und den MinisterpräsidentInnen Volker Bouffier (CDU/Hessen), Manuela Schwesig (SPD/Mecklenburg-Vorpommern), Stephan Weil (SPD/Niedersachsen) und Winfried Kretschmann (Grüne/Baden-Württemberg) stundenlang um eine Einigung zum Klimapaket der Bundesregierung gerungen hatte.

Das war zu großen Teilen bereits von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden. Lediglich ein Teil der Gesetze, die steuerliche Fragen betreffen, war vom Bundesrat gestoppt und in den Vermittlungsausschuss überwiesen worden. Dazu gehören unter anderem die Senkung der Mehrwertsteuer auf Fahrkarten im Fernverkehr, die stärkere Förderung der Gebäudesanierung und die Erhöhung der Pendlerpauschale für alle, die mehr als 20 Kilometer zur Arbeit pendeln.

Doch mit der Drohung, dieses Gesetz weiterhin zu blockieren, ist es den Grünen gelungen, Veränderungen auch beim neuen CO2-Preis für die Sektoren Wärme und Verkehr zu erzwingen. Der war eigentlich längst final verabschiedet – und hatte wegen des Einstiegspreises von nur 10 Euro pro Tonne im Jahr 2021, die als völlig wirkungslos gilt, für massive Kritik aus Wissenschaft, Umweltbewegung und Opposition gesorgt.

In dem kurzen Papier der Arbeitsgruppe sagen Union und SPD nun zu, dieses Gesetz im neuen Jahr noch einmal zu ändern und den Preis deutlich anzuheben: Im Jahr 2021 soll er statt 10 Euro nun 25 Euro betragen und durch jährliche Steigerungen bis 2025 auf 55 Euro, statt bislang auf 35 Euro, steigen. Für das Jahr 2026, in dem kein Festpreis, sondern ein Preiskorridor vorgesehen ist, soll er statt zwischen 35 und 55 Euro nun zwischen 55 und 65 Euro liegen. Die tatsächliche Höhe entscheidet sich dann aufgrund der Nachfrage.

Für die VerbraucherInnen dürfte der CO2-Preis damit tatsächlich spürbar werden. Während der Preis für Benzin und Diesel bei 10 Euro pro Tonne nur um rund 3 Cent pro Liter gestiegen wäre, sind es beim neuen Einstiegspreis von 25 Euro im Jahr 2021 schon über 7 Cent pro Liter, im Jahr 2025 dann bei Benzin über 15 Cent, bei Diesel sogar über 17 Cent. Der Anreiz, beim nächsten Autokauf ein sparsameres Modell oder gleich ein Elektrofahrzeug zu kaufen, nimmt damit zu.

Die Erderwärmung bedroht uns alle. Die taz berichtet deshalb künftig noch intensiver über die Klimakrise: von den weltweiten Streiks, Aktionen von Umweltaktivist*innen und weltweiten Klimakonferenzen.

Zudem wird es attraktiver, vom Auto auf die Bahn umzusteigen, sofern es eine Verbindung gibt. Denn während die Fahrt in einem 6-Liter-Diesel pro 100 Kilometer 2021 zunächst um 45 Cent, 2025 dann um knapp 1 Euro teurer wird, sinkt der Preis für Fahrkarten im Fernverkehr durch die niedrigere Mehrwertsteuer um 10 Prozent. Sollte das Gesetz nun wie geplant noch diese Woche von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden, würde diese bereits zum 1. Januar gelten, bestätigte ein Bahn-Sprecher.

Teurer wird durch den höheren CO2-Preis auch das Heizen mit fossiler Energie: Ein Liter Heizöl verteuert sich bei einem CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne um knapp 8 Cent, was einem Anstieg um 12 Prozent entspricht. Eine Kilowattstunde Erdgas kostet etwa 0,6 Cent mehr, was rund 10 Prozent Aufschlag ausmacht. Sanierungen, die Heizenergie sparen, rentieren sich damit schneller. Zudem werden elektrisch betriebene Wärmepumpen finanziell attraktiver.

Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass der Strompreis deutlich sinken soll. Denn anders als bei den ursprünglichen Plänen, bei denen nur etwa 30 Prozent der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung durch eine Absenkung des Strompreises und eine ­Erhöhung der Pendlerpauschale direkt an die Bevölkerung zurückgegeben werden sollten, sollen die nun zusätzlich geplanten Einnahmen komplett zurückfließen.

Durch eine Absenkung der sogenannten EEG-Umlage, mit der die Stromkunden den Ausbau der erneuerbaren Energien finanzieren, soll der Strompreis pro Kilowattstunde um gut 2 Cent sinken. Das geht aus einer Berechnung des Bundesfinanzministeriums hervor, die der taz vorliegt. Für einen Durchschnittshaushalt mit einem Verbrauch von 3.500 Kilowattstunden im Jahr würde die Stromrechnung damit um knapp 6 Euro im Monat sinken. Im Jahr 2025 läge die rechnerische Senkung bei etwa 10 Euro im Monat.

Als Ausgleich für Autofahrende wird zudem die Pendlerpauschale noch einmal erhöht: Zusätzlich zu den zuvor beschlossenen 5 Cent Aufschlag ab dem 21. Kilometer des Arbeitswegs von 2021 an soll es ab 2024 weitere 3 Cent geben. Insgesamt fällt die Entlastung im Verhältnis zum steigenden Spritpreis aber geringer aus als zuvor geplant, sodass es – anders als bei den bisherigen Plänen – keine Überkompensation geben sollte. Am Problem, dass Bezieher höherer Einkommen stärker entlastet werden als Geringverdiener, ändert sich allerdings erst mal nichts.

Die SPD reklamierte, die Nachbesserungen gingen auch auf ihr Konto. Andere sagen: In den Verhandlungen hat sie eher gebremst

Die Einigung stieß bei Grünen, SPD und Union auf Zustimmung. Für die Grünen, die am stärksten auf eine Erhöhung des CO2-Preises gedrängt hatten, bezeichnete Fraktionschef Anton Hofreiter ihren Erfolg als „Schritt in die richtige Richtung“. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nannte die Einigung „eine gute Nachricht für Hunderttausende Pendler, für alle Bahnfahrer und für die Stromkunden“.

Für die SPD erklärte die neue Co-Vorsitzende Saskia Esken, dass die Nachbesserungen auch auf das Konto der Sozialdemokraten gingen. Aus Teilnehmerkreisen war allerdings zu hören, dass die SPD beim höheren CO2-Preis eher gebremst habe. Der klimapolitische Sprecher der Linksfraktion, Lorenz Gösta Beutin, lehnte die Einigung als „Klima-Kleckerei“ ab.

Scharfe Kritik kam von der SchülerInnen-Bewegung Fridays for Future (FFF). Die Erhöhung auf 25 Euro sei völlig unzureichend und „kein Erfolg“, hieß es auf Twitter. Dem widersprach der Klimawissenschaftler Ottmar Edenhofer, auf den sich FFF in der Vergangenheit oft berufen hatte: Er erklärte, „der angepeilte Preispfad könnte den Ausstoß von Treibhausgasen tatsächlich absehbar verringern“.