Susan Djahangard
Sie zahlt
: Die Krise kann verändern, wie viel wir arbeiten

Foto: Anne Koch

Arbeiten, Bad putzen, einkaufen, kochen (frisch und gesund), Wäsche waschen, Haare auch, Sport, Freund:innen, Ehrenamt, schlafen. Ja, das ist mein Leben und Ihres wahrscheinlich auch, Sie kennen den Struggle. Was ich sagen will: Das ist viel, auch ohne Kinder. Seit ich arbeite, habe ich das Konzept der Hausfrau verstanden.

Die Politikwissenschaftlerin Anne-Marie Slaughter hat ihren Job im US-Außenministerium unter Hillary Clinton geschmissen, um mehr Zeit mit ihrer Familie zu haben. In einem Essay im Atlantic („Why Women Still Can’t Have It All“) erzählt sie von einer Anwältin, die sich fragte, wie sie Zeit für Kinder und Karriere haben kann, und zu Slaughter sagte: „Ich schaue nach Vorbildern und finde keine.“ Das habe ich auch oft gedacht und von Freund:innen gehört. Sind wir alle nur Menschen begegnet, die es schlicht nicht hinbekommen? Wenn es so schwierig ist, welche zu finden, dann liegt der Fehler wohl eher im System.

In Deutschland arbeiten heute viel mehr Frauen als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Natürlich ist das super, aber es ist ja nicht so, dass deshalb wahnsinnig viele Männer ihre Arbeitszeit reduziert hätten. Das, was vorher der Vollzeitjob einer Hausfrau war, ist hinten übergekippt und soll irgendwie nach Feierabend erledigt werden. Selten funktioniert das gut. Würde die Work-Life-Balance bei den meisten eine Balance sein, würden wir nicht ständig darüber reden.

Wir arbeiten in einer Welt, die von einer „Time Macho“-Kultur geprägt ist, wie es Anne-Marie Slaughter nennt: Viele arbeiten viel, oft mehr, als ihnen ihre Verträge vorschreiben. Weil viel arbeiten angeblich viel bringt.

Dabei lässt die Konzentration irgendwann nach, eine Studie der Universität Melbourne zeigt: schon ab 25 Stunden pro Woche. Einzelne Unternehmen haben ihre Arbeitszeit reduziert, manche 5-Stunden-Tage eingeführt und davon Gutes berichtet. Natürlich kann, wer will, in Teilzeit arbeiten. Bisher machen das vor allem Frauen. Aber so wie es heute läuft, läuft das dann eher schlecht für eine:n selbst: Man wird seltener befördert, verdient weniger, bekommt weniger Rente.

Die Fünftage­vorschau

Mi., 7. 10.

Anna Dushime

Bei aller Liebe

Do., 8. 10.

Hengameh Yaghoobifarah

Habibitus

Fr., 9. 10.

Volkan Ağar

Postprolet

Mo., 12. 10.

Caroline Kraft

Schluss jetzt

Di., 13. 10.

Anja Maier

Transitstrecke

kolumne@taz.de

Corona verändert, wie wir arbeiten. Homeoffice ist in Unternehmen normal geworden, in denen es vorher undenkbar war. Wir sollten die Krise als Chance sehen, in der vieles anders werden kann. Auch das, was wir unter Vollzeit verstehen. Die 40-Stunden-Woche fiel nicht vom Himmel, sondern wurde eingeführt, damit die Menschen weniger arbeiten und gesünder leben. Genauso ließe sich die 40 gegen eine 30 tauschen oder eine 4-Tage-Woche zum Standard machen, wie es die IG Metall fordert. Wer das utopisch und naiv findet, sich vielleicht sogar fragt, was er mit der Zeit anfangen soll, die er dann hätte, kann ja mal darüber nachdenken, wer an seiner statt die Arbeit in seinem Haushalt und für die Gesellschaft erledigt. Ich zumindest habe wenig Lust auf 40 Jahre Dauerstress.