das portrait
: Der Geschichtslehrer Samuel Paty unterrichtete Meinungsfreiheit

Foto: twitter/taz

Am Tatort legten sie Blumen nieder: In der französischen Gemeinde Conflans-Sainte-Honorine nordwestlich von Paris haben sich Samstagmorgen, am Morgen nach der Ermordung des Geschichtslehrers Samuel Paty, rund tausend Schüler und Schülerinnen der Mittelschule, Eltern, Kolleginnen und Kollegen des Lehrers, einige BehördenvertreterInnen und andere MitbürgerInnen versammelt.

Auf Schildern war zu lesen: „JeSuisSamuel“. Dass so an den Solidaritätsslogan „Je suis Charlie“ („Ich bin Charlie“) nach dem Terroranschlag auf die Satirezeitung Charlie Hebdo angeknüpft wird, ist mehr als verständlich: Der 47-jährige Lehrer Samuel Paty ist am Freitag das Ziel eines Terroranschlags geworden, weil er im Rahmen des Unterrichts zwei Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte, die zuvor in der Pariser Satirezeitung erschienen waren. Er hat dabei wie Tausende andere im französischen Schulsystem den Lehrplan befolgt und seinen SchülerInnen erklärt, was Meinungsfreiheit in Frankreich bedeutet. Wie andere, die ihm im Lehrerberuf begegnet sind, sagt eine frühere Kollegin, Paty habe seinen Beruf als Berufung verstanden und sei überzeugt gewesen, dass Erziehung und Bildung die Menschen verändern könnten.

Das bestätigen in den Medien ehemalige SchülerInnen. Sie nennen ihn respektvoll „Mon­sieur Paty“. Er sei ein eher zurückhaltender, nie provozierender Lehrer und Mensch gewesen. „Ich kannte ihn als Klassenlehrer von den Treffen mit den Eltern. Seine Bemerkungen waren stets ausgewogen, er sprach nie, um nichts zu sagen. Es war nicht sein Stil, bei Meinungsverschiedenheiten Öl ins Feuer zu gießen“, berichtet Myriam Moire, die ihm als Mitglied der Elternvereinigung FCPE mehrfach begegnet war.

Nach seinem Studium in Lyon und ersten Posten in der Pariser Region kam Paty vor fünf Jahren als Geschichts- und Geografielehrer in die Mittelschule Bois d’Aulne in Conflans-Sainte-Honorine. In diesem Vorort am Zusammenfluss der Seine und der Oise lebt eine durchmischte Bevölkerung in Reihenhäusern oder Einfamilienhäuschen. Mit seiner Partnerin, von der er seit Kurzem getrennt war, bezog er eine Wohnung im stillen Quartier Grillon von Eragny. Ihr gemeinsamer Sohn ist 5 Jahre alt. Paty spielte regelmäßig Tennis und trainierte im lokalen Klub dreimal in der Woche.

Dass er mit diesem Leben und seiner Art, den Beruf auszuüben, von islamistischen Fanatikern als Feind betrachtet werden konnte, versteht niemand von seinen privaten und beruflichen Bekannten. Die Polemik wegen einer Unterrichtsstunde über die Meinungsfreiheit blieb auch für ihn unbegreiflich. Eine Schülerin sagte dem Journal du Manche: „Seit einigen Tagen senkte er den Kopf in den Korridoren. Es hieß, er sei islamophob und rassistisch, aber ich glaube nicht, dass das wahr war.“ Das Gerücht aber drang, im Internet gehässig angeheizt, bis nach Evreux in der Normandie durch, wo der junge Täter tschetschenischer Herkunft wohnte. Rudolf Balmer, Paris

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