Ulrike Herrmann über das Gutachten der Wirtschaftsweisen
: Ein Schonprogramm für Reiche

Die Wirtschaftsweisen sind als Mahner bekannt, aber diesmal verkünden sie gute Nachrichten: Die deutsche Wirtschaft dürfte in diesem Jahr nur um 5,1 Prozent einbrechen. Die Coronapandemie verläuft wohl glimpflicher als die Finanzkrise, bei der 2009 die Wirtschaftsleistung um 5,7 Prozent schrumpfte.

Die Coronapandemie schlägt deshalb nicht ganz so drastisch zu, weil sie einer Naturkatastrophe ähnelt: Das Virus bedroht die Wirtschaft von außen. Das Leben wird sich wieder normalisieren, sobald die Pandemie verschwindet.

Finanzkrisen hingegen erschüttern den Kapitalismus von innen: Firmen und Haushalte sind überschuldet, weil Banken zu viele Kredite vergeben haben. Hinterher sind Unternehmen und Familien jahrelang damit beschäftigt, die Schulden zurückzuzahlen. Ihnen fehlt also das Geld, um neu zu investieren oder Konsumgüter anzuschaffen. Die Nachfrage lahmt, sodass diese Krisen ewig dauern.

Eine Gemeinsamkeit gibt es allerdings zwischen der Coronakrise und den diversen Finanzcrashs: Sie lassen sich schneller überwinden, wenn die Regierung eingreift und Konjunkturprogramme auflegt. Der Staat muss sich also verschulden – was auch die Wirtschaftsweisen richtig finden.

Bleibt ein Streitpunkt: Was soll mit den Staatsschulden passieren, wenn die Coronakrise vorbei ist? Die meisten Wirtschaftsweisen argumentieren neoliberal: Der Staat soll sparen, indem er bei den Ausgaben kürzt. Keinesfalls dürften die Steuern auf Gewinne und Spitzeneinkommen steigen. Nur der Keynesianer Achim Truger hält dagegen. In seinem Minderheitenvotum beschreibt er völlig richtig, dass die neoliberalen Modelle tautologisch sind: Die Annahmen werden so gewählt, dass hinterher das gewünschte Ergebnis herauskommt – nämlich, dass die Reichen zu schonen sind. Wissenschaft sieht anders aus.

Trotzdem lohnt die Lektüre des Gutachtens. Denn darin zeichnen sich jene Konflikte ab, die den Bundestagswahlkampf 2021 prägen dürften.

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