Deutsches Team vor der Eishockey-WM: Zeit für große Träume

Am Freitag beginnt die Eishockey-WM in Riga mit strengen Corona-Regeln. Die deutsche Mannschaft tritt dennoch mit sehr viel Selbstbewusstsein an.

Eishockeyspieler im Zweikampf

Action auf dem Eis: Nicolas Krämmer im Trikot der Nationalmannschaft Foto: Timm Schamberger/dpa

In Riga beginnt am Freitag ein Eishockey-Experiment, eine Weltmeisterschaft in einer möglichst ansteckungsfreien Blase. Es herrschen in der lettischen Hauptstadt ähnlich verschärfte Bedingungen wie in den letzten Playoffs der nordamerikanischen Eliteliga NHL. Alle Profis der 16 Nationen, die an dem WM-Turnier teilnehmen, müssen nach Anreise zunächst zwei Tage in Einzelisolation auf ihren Hotelzimmern verbringen. Allein, ohne Ausgang, das Essen wird vor die Tür gestellt. Es folgen drei Tage in Teamisolation, das bedeutet: Zwar wird trainiert, es gibt jedoch keinerlei Kontakt mit Menschen, die nicht zur Mannschaft gehören.

Spieler sehen nur Eishallen und ihre Hoteletage, dürfen nicht durch die Stadt spazieren und werden täglich auf Corona getestet. Fremdkontakt ist nur bei den WM-Partien mit den gegnerischen Profis erlaubt, Zuschauer sind nicht zugelassen – kurz: Spaß sieht anders aus. Viele Profis haben freiwillig verzichtet, internationale Topstars sind in Riga nicht dabei.

„Das ist eine mentale Herausforderung und für mich insgesamt der Knackpunkt. Die WM wird diesmal im Kopf entschieden“, meint der frühere Nationalspieler Rick Goldmann, der in Riga als TV-Experte im Einsatz ist. „Das Turnier wird zeigen: Welche Mannschaft geht ein an den Umständen, welche Mannschaft blüht auf.“

Bundestrainer Toni Söderholm, seines Zeichens finnischer Pragmatiker, sieht kein Problem: „Du brauchst nicht jeden Tag Entertainment zu machen. Wir leben hier nicht in einem Zirkus.“ Er traut es seinen Profis zu, mit der Situation umgehen zu können. „Ich habe ein gutes Gefühl, ein sehr positives Gefühl. Die Jungs sind sehr gut gelaunt. Ich bin zuversichtlich, dass wir das gut hinkriegen.“ Es gab zwar auch im deutschen Team ein paar Absagen, aber noch mehr Zusagen, sodass Söderholm eine Mannschaft in den Wettbewerb schicken kann, die sich selbst einiges zutraut.

Ohne Komplexe

Seit wir 2018 in Pyeongchang Olympiasilber gewonnen haben, sind wir selbstbewusster geworden und haben unsere Komplexe abgelegt“, sagt Nationalmannschafts-Kapitän Moritz Müller von den Kölner Haien. „Wir spielen bei einem Turnier nicht, um nur zu überleben, sondern mit Zielen und Träumen. Das haben wir uns über die Jahre erarbeitet. Wir haben viel Talent in der Mannschaft.“

erteidiger Moritz Seider startet am Freitag mit dem deutschen Nationalteam

Der Verteidiger Moritz Seider startet am Freitag mit dem deutschen Nationalteam Foto: Monika Skolimowska/dpa

Und Erfahrung: Die Nordamerika-Profis Tom Kühnhackl und Tobias Rieder sind dabei, Korbinian Holzer, der zuletzt in der russischen KHL spielte. Aber auch Talente wie Lukas Reichel vom Meister Eisbären Berlin oder Moritz Seider, der gerade in der schwedischen Liga bei Rögle BK als bester Verteidiger ausgezeichnet worden ist.

Es beginnt mit einem strammen Programm. Die DEB-Mannschaft startet am Freitag (15.15 Uhr) mit einer Partie gegen Italien. Am Samstag steht bereits um 11.15 Uhr ein Spiel gegen Norwegen an. Es liegen also nicht einmal 24 Stunden zwischen den beiden Begegnungen, die das deutsche Team gewinnen muss, wenn es sein vorläufiges Ziel erreichen will, die Qualifikation fürs WM-Viertelfinale.

Am Montag (19.15 Uhr) trifft Söderholms Auswahl dann auf Kanadas WM-Team, diesmal eine Gruppe junger NHL-Spieler, die in Riga zum ersten Mal zusammen trainiert hat. „Die Nordamerikaner haben vielleicht mehr Fragezeichen als sonst, die Spieler sind ein bisschen unbekannter. Aber wir reden über sehr, sehr gute Mannschaften“, meint Söderholm – auch in Anspielung auf die US-Auswahl, Gegner der Deutschen am 31. Mai (15.15 Uhr). Vorher spielt das DEB-Team gegen Aufsteiger Kasachstan (26. 5./15.15 Uhr) und Titelverteidiger Finnland (29. 5./19.15 Uhr) und zum Abschluss gegen Gastgeber Lettland (1. 6./19.15 Uhr, alle Spiele bei Sport 1).

Dass die Mannschaften noch Berühmtheiten aus Nordamerika nachnominieren könnten, wie es sonst bei Weltmeisterschaften gern geschieht, ist diesmal wegen der langwierigen Quarantäne nicht möglich. NHL-Stürmer Leon Draisaitl von den Edmonton Oilers wird also auf keinen Fall in Riga spielen. Vielleicht steigt der 20-jährige Seider zum neuen Star des DEB-Teams auf. Goldmann traut es ihm zu: „Was er für einen Sprung gemacht hat, ist beeindruckend. Man sollte auf ihn schauen, er hat das Potenzial, zu den besten Verteidigern dieser WM zu gehören.“

Im vergangenen Jahr gab es wegen Corona keine WM. 2019 beim Turnier in der Slowakei, Söderholms erster WM als Bundestrainer, kam die deutsche Auswahl bis ins Viertelfinale, das sie mit 1:5 gegen Tschechien verlor. In der WM-Endabrechnung landete sie auf Rang sechs.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.