Russland auf dem G20-Gipfel: Russland streckt die Waffen

Beim Treffen der Außenminister reist Sergej Lawrow vorzeitig ab. Dabei setzt Moskau auf „Business as usual“ – trotz des Krieges gegen die Ukraine.

Lawrow geht durch einen Raum, das Licht fällt auf sein Gesicht

Russlands Außenminister Sergej Lawrow am Freitag auf Bali Foto: Stefani Reynolds/Pool/dpa

MOSKAU taz | Nein, „Business as usual wurde es nicht beim G20-Treffen der Außenminister auf Bali. Russlands Außenminister Sergej Lawrow verließ die Zusammenkunft am Freitag vorzeitig. „Lawrow führt noch bilaterale Gespräche, danach wendet er sich an die Presse und reist ab“, teilte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit. Er nimmt demnach nicht am offiziellen Essen und an der Nachmittagssitzung teil.

Dabei setzt das russische Außenministerium genau darauf: Business as usual. Moskau gibt es sich so, als sei nichts geschehen. „Wir pflegen einen offenen und ehrlichen Meinungsaustausch“, heißt es in einer Mitteilung von Sergei Lawrow. In seinen Ausführungen wird die Ukraine mit keinem Wort erwähnt. Den Bruch, den Russland durch seinen Angriff auf das Nachbarland der ganzen Welt zugefügt hat, übergeht der russische Chefdiplomat geflissentlich und schiebt die Verantwortung für die Krisen in der Welt den USA zu.

Das ist ohnehin Russlands Politik seit Jahrzehnten: Der Westen, in den Fängen der USA, zerstöre mit „nicht legitimen Handlungen“ die „Vielseitigkeit der Staaten“ und sorge damit für „destruktive Auswirkungen“, Russland dagegen setze sich für eine multipolare Welt ein und suche stets den Dialog, weil es sich für die Energie- und Nahrungsmittelsicherheit einsetze.

Das Mantra vom „guten Russland und bösen Westen“ ist vor allem ein rhetorischer Treiber des russischen Narrativs von der Bedrohung von außen. Eines Narrativs, das in großen Teilen der Welt durchaus greift. Die Überzeugung vieler Po­li­ti­ke­r*in­nen im Westen, Russland sei isoliert, ist eine Illusion.

Beschwörung nach innen

Wenn der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow davon redet, es könne kein Vakuum und keine volle Isolation Russlands geben, weil diese technologisch unmöglich sei, steckt in dem Satz freilich auch viel Beschwörung nach innen.

Überrascht und überrumpelt von der Geschlossenheit Europas wendet sich Russland verstärkt anderen Ländern zu – Ländern, die im Handeln des Kremls ein durchaus willkommenes Gegengewicht zu den USA sehen. Der Antiamerikanismus wie auch der Antikolonialismus vieler Staaten macht es Moskau geradezu einfach, einige Verbindungen zu verstärken, zumal viele dieser Länder eigene Interessen verfolgen.

Indien bezieht Rüstungsgüter aus Russland, für seinen Konflikt mit Pakistan braucht es Waffen, Ersatzteile, Munition. Zudem haben Moskau und Delhi Gespräche über eine Gaspipeline nach Indien wieder aufgenommen. Bereits zu Sowjetzeiten hatte es Pläne gegeben, das Land über Zentralasien und Afghanistan mit Gas zu versorgen.

Die Taliban umgarnt das Regime in Moskau. Zwar sind die Gotteskrieger in Russland als terroristische Organisation verboten, auf dem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg vor drei Wochen waren sie gern gesehene Gäste. In China, Iran, Saudi-Arabien, den afrikanischen und auch lateinamerikanischen Ländern sucht und findet Russland ähnliche politische Werte. Sie alle interpretieren Begriffe wie Demokratie, Souveränität und Einmischung neu und verzerren damit die Rechtsstaatlichkeit. Seinen Platz in einer antiwestlichen Autokratenallianz sucht Moskau noch.

Versorgung mit Impfstoffen

Venezuela steht voll hinter Russland und profitiert von russischen Krediten, die es für den Kauf russischer Waffen verwendet. Auch Argentinien und Brasilien sehen in der Konfrontation zwischen Russland und dem Westen einen Nutzen für sich. Russland war neben China das Land, das in der Pandemie beide Länder mit Impfstoffen versorgte, noch bevor es westliche Staaten taten.

Peking und Moskau mögen sich zwar gegenseitig als Juniorpartner betrachten, was beide nicht sein wollen. Geschäfte zu machen, die nicht an die Achtung von Menschenrechten und Demokratie geknüpft sind, liegt allerdings beiden. Im Juni feierten sie nach Jahren des Baus die Eröffnung der ersten Autobrücke, die Blagoweschtschensk in Russland und Heihe in China verbindet. Ein starkes Symbol der gegenseitigen Partnerschaft.

Länder, mit denen Russland vermehrt den Schulterschluss sucht, verteidigen, wie Moskau selbst, ein Modell von Führer und Volk, ohne zwischengeschaltete Institutionen. Darin ist Russland nicht isoliert.

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