+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Scholz im Verteidigungsmodus

Der Kanzler betont sein Nein zur Lieferung von Kampfpanzern. Lambrecht fordert UN-Untersuchung in Isjum. Selenski vergleicht Besatzer mit Nazis.

Kanzler Scholz an einem Rednerputl

Bundeskanzler Scholz, hier bei der Bundeswehr-Tagung am Freitag in Berlin

Scholz im Verteidigungsmodus

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Entscheidung verteidigt, keine Schützen- oder Kampfpanzer in die Ukraine zu liefern. Es gelte der Grundsatz, keine Alleingänge zu machen, sagte er am Samstag. Scholz betonte zugleich, die von Deutschland zur Verfügung gestellten Waffen hätten wesentlich zu den jetzigen Erfolgen der Ukraine beigetragen. Derweil bestätigte ein Regierungssprecher die Genehmigung des Kaufs von 18 Haubitzen durch die Ukraine. Laut Welt am Sonntag müssen die Waffensysteme aber noch produziert werden.

Scholz sagte im Deutschlandfunk, die Bundesrepublik habe „mittlerweile wahrscheinlich mit die entscheidendsten Waffen geliefert, die für das jetzige Gefecht im Osten der Ukraine notwendig sind“. Auch bei der langfristigen Unterstützung werde sich Deutschland „sehr konzentrieren auf die Frage von Artillerie und Luftverteidigung“. Erst die deutschen Waffenlieferungen hätten auch viele andere europäische Länder dazu bewegt, sich anzuschließen. (ap)

165 Frachtschiffe ausgelaufen

Seit dem von der Türkei und den UN vermittelten Getreideabkommen im Juli haben nach ukrainischen Angaben 165 Schiffe mit 3,7 Millionen Tonnen Agrarprodukten das Land verlassen. Am heutigen Sonntag sollen weitere zehn Schiffe mit gut 169.000 Tonnen landwirtschaftlicher Erzeugnisse ablegen, wie das Infrastrukturministerium in Kiew mitteilt. Vor dem Krieg exportierte die Ukraine monatlich bis zu sechs Millionen Tonnen Getreide. Die ukrainischen Schwarzmeerhäfen haben nach Angaben des Ministeriums Kapazitäten zur Beladung von 100 bis 150 Frachtschiffen im Monat. (rtr)

Verteidigungsministerin fordert UN-Untersuchung in Isjum

Nach der Entdeckung von Gräbern nahe der ukrainischen Stadt Isjum und Berichten über Folterspuren an Toten fordert Bundesverteidigungsministern Christine Lambrecht Untersuchungen durch die Vereinten Nationen (UN). „Diese furchtbaren Verbrechen müssen unbedingt aufgeklärt werden – am besten von den Vereinten Nationen“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe laut Vorabbericht vom Sonntag. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, ukrainische Ermittler hätten neue Beweise für Misshandlungen gefunden. Zudem seien in den zurückeroberten Gebieten in der Region Charkiw bereits mehr als zehn Folterstätten entdeckt worden. Russland hat sich zu den Gräbern bisher nicht geäußert, weist Gräueltaten aber von sich. (rtr)

Menschen in weißen Anzügen graben zwischen Holzkreuzen in einem Wald

Rettungskräfte öffnen das Grab eines Zivilisten während einer Exhumierung bei Isjum Foto: Evgeniy Maloletka/ap

London: Moskau verstärkt Angriffe mit Langstreckenraketen

Russland hat nach Angaben britischer Geheimdienste in den vergangenen sieben Tagen seine Angriffe auf zivile ukrainische Ziele mit Langstreckenraketen deutlich verstärkt. Dazu zähle etwa der Angriff auf einen Staudamm in der zentralukrainischen Industriestadt Krywyj Rih, hieß es am Sonntag im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums. Diese Ziele böten keinen unmittelbaren militärischen Gewinn.

Es sei wahrscheinlich, dass Moskau angesichts der Rückschläge an der Frontlinie weiter verstärkt auf solche Angriffe setze, um die Moral des ukrainischen Volkes und seiner Regierung zu unterminieren.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor. (dpa)

Trauerfeier für getöteten Ballett-Tänzer

Hunderte Menschen haben am Samstag in Kiew dem im Ukraine-Krieg getöteten früheren Ballett-Tänzer Oleksandr Schapowal die letzte Ehre erwiesen. In der Nationaloper der ukrainischen Hauptstadt versammelten sich Angehörige, Kollegen, Soldaten und Bewunderer Schapowals, der seit den ersten Tagen des russischen Angriffskriegs als Freiwilliger zunächst bei der Verteidigung Kiews und später im Osten der Ukraine gekämpft hatte. Der 47-jährige Schapowal war am 12. September von einem Mörsergeschoss während der ukrainischen Gegenoffensive in der Region Donezk nahe der Ortschaft Majorsk getötet worden. (afp)

Selenski vergleicht russische Besatzer mit Nazis

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski hat das Vorgehen der russischen Besatzer in seinem Land mit den Nazi-Gräueln im Zweiten Weltkrieg verglichen. Es gebe grausamste Folter, Deportationen, verbrannte Städte, bodenlosen Hass und nichts Lebendiges mehr unter russische Besatzung, sagte Selenski in einer am Samstag in Kiew verbreiteten Videobotschaft. Zwar würden die Russen anders als die Nazis keine Seife aus den getöteten Ukrainern machen – und keine Lampenschirme aus ihrer Haut. „Aber das Prinzip ist das gleiche“, meinte der Staatschef nach mehr als sechs Monaten Krieg.

Selenski bezeichnete die vor einer Woche aus dem Gebiet Charkiw geflohenen Besatzer als „Raschisten“ und sagte, so hätten sich auch die „Nazis“ verhalten. „Raschismus“ vereint die Wörter Russland und Faschismus und wird von vielen Ukrainern als Begriff für „russischer Faschismus“ benutzt. Wie die „Nazis“ würden auch die „Raschisten“ auf dem Schlachtfeld und vor Gericht für ihre Taten zur Verantwortung gezogen, sagte Selenski. (dpa)

Biden warnt Putin vor Einsatz von Atomwaffen

US-Präsident Joe Biden hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin davor gewarnt, nach den Rückschlägen in der Ukraine taktische Atom- oder Chemiewaffen einzusetzen.

„Machen Sie das nicht, machen Sie das nicht, machen Sie das nicht. Es würde das Gesicht des Krieges verändern, wie nichts anderes seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagte Biden in einem Interview-Ausschnitt mit dem Fernsehsender CBS, der am Samstagabend (Ortszeit) veröffentlicht wurde.

Russland würde sich damit noch mehr zum Außenseiter machen als jemals zuvor, so Biden.

Der russische Präsident hatte erklärt, dass Moskau die Gangart ändern würde, wenn seine Truppen weiter unter Druck gesetzt würden. (rtr)

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