Es brodelt wieder

An Montagsprotesten vor allem in Ostdeutschland beteiligen sich Tausende – darunter die AfD und andere Rechtsextreme. Der Verfassungsschutz ist in Sorge

Aus Leipzig Rieke Wiemann undKonrad Litschko

Am Samstag will die AfD zum Protestaufschlag ausholen. „Preisexplosion stoppen“ lautet ihr Aufruf zur „Großen Demonstration“ in Berlin. Und: „Deutschland zuerst“. Auftreten sollen die AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel. Es ist der Versuch der Rechtsextremen, den „Heißen Herbst“ jetzt auch offiziell von rechts mit anzuheizen.

Im Kleinen aber ist die Partei längst dabei. So demonstrierten am Montagabend in Gera Tausende gegen die Energie- und Russlandpolitik der Bundesregierung. Auf der Bühne: Björn Höcke, AfD-Frontmann in Thüringen. Und auch in anderen Ost-Bundesländern mischt die Partei bei den Protesten mit – so wie auch andere Rechtsextreme.

Daneben sind aber auch viele weitere Menschen auf der Straße. So fanden am Montag laut einer taz-Umfrage in den Ländern allein in Thüringen 19 angemeldete Versammlungen mit rund 36.000 Teilnehmern statt, die größten in Gera mit 9.800, in Altenburg mit 3.800 und Leinefelde mit 2.500. In Sachsen-Anhalt waren es 45 Versammlungen mit 14.600 Teilnehmenden, davon 2.500 in Magdeburg. In Brandenburg gab es 35 Demos mit rund 10.500 Teilnehmenden, die meisten mit 2.000 in Cottbus. Und in Mecklenburg-Vorpommern waren es 27 Aufzüge mit knapp 10.000 Protestierenden, hier allein 3.000 in Schwerin und 1.300 in Wismar.

Gemeinsamer Nenner der Proteste war eine Ablehnung der Regierungspolitik – sei es in puncto Russlandsanktionen, Energiepolitik oder Pandemiegeschehen. Wo sich die Organisatoren verorteten, war beim größten Protest in Gera klar: Anmelder war mit Christian Klar ein bekannter Rechtsextremist. Auf der Bühne wetterte AfD-Mann Björn Höcke über eine „ungebremste Einwanderung“, eine „globale Einheitszivilisation“ oder ein „Regenbogenimperium“. Die Demonstrierenden lobte er für ihre „ehrliche Vaterlandsliebe“. Als Redner traten zudem Martin Kohlmann auf, Anführer der rechtsextremen „Freien Sachsen“, und Jürgen Elsässer, Herausgeber des rechtsextremen Compact-Magazins, der ebenfalls einen „heißen Herbst“ beschwor. Die tausenden Teilnehmenden störte dieser rechtsextreme Auflauf offensichtlich nicht. Und Höcke ignorierte damit auch einen Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei mit den „Freien Sachsen“.

„Die rechtsextreme Szene versucht sich derzeit konsequent an die Spitze der an sich legitimen Proteste zu stellen“, sagte Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer der taz. In Thüringen hätten sich neben der AfD auch die NPD, die Splitterpartei „III. Weg“, die „Freien Thüringer“ oder Reichsbürger beteiligt. Und der Montag habe gezeigt, welches Mobilisierungspotential da sei. „Unter den Demonstrierenden herrscht ein sehr hohes Frustrationspotential, das die Rechtsextremen noch weiter anheizen“, warnt Kramer. „Schon heute sind die Wortbeiträge nicht so friedlich, wie die Proteste von sich behaupten. Und ich gehe davon aus, wir haben noch nicht alles gesehen.“

Auch in Brandenburg notiert der Verfassungsschutz, dass die AfD die Proteste mitanfache, zusammen mit Compact oder dem rechtsextremen Verein „Zukunft Heimat“. In Mecklenburg-Vorpommern konstatiert das Landesamt, dass der größte Teil der Protestierenden zwar „aus der Mitte der Gesellschaft“ komme. Immer wieder aber würden Po­li­ti­ke­r:in­nen als „Volksverräter“ beschimpft oder „Spaziergänge“ an ihren Wohnhäusern vorbeiführen, um diese einzuschüchtern. In Rostock ertönte zuletzt der Ausruf „Scholz an die Wand“. Und einige Protestierende würden „einen Zusammenbruch der politischen Ordnung herbeisehnen“.

Solche Töne gab es am Montag auch erneut in Sachsen. Nach seinem Auftritt in Gera trat am Abend der Rechtsextremist Martin Kohlmann noch in Planen auf. Ebenso in Chemnitz, Görlitz, Zwickau, Altenburg, Bautzen oder Dresden gingen Hunderte auf die Straße. In Leipzig demonstrierte laut Polizei eine niedrige vierstellige Zahl an Leuten für „Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung“ – ihre Zahl steigt seit Monatsbeginn stetig an. Deutschland- und Russlandfahnen wehten, auch welche der „Freien Sachsen“. Hier gab es diesmal indes Widerstand. Laut Ver­an­stal­te­r:in­nen waren es gut 5.000, einige blockierten stellenweise den rechten Aufzug.

Dieser Gegenprotest könnte auch die AfD am Samstag in Berlin erwarten. Drei Gegenveranstaltungen sind hier angemeldet, die Partei rechnet für sich mit 4.000 Teilnehmenden. In Umfragen zahlt sich die Krise für die AfD bereits aus. Im Bund liegt sie wieder bei 14 Prozent. In Niedersachsen, wo am Sonntag gewählt wird, sind es 11 Prozent.