Klima-Protestaktionen in Museen: Bild frei, Kartoffelbrei

Deutsche Kli­ma­ak­ti­vis­ten haben in Potsdam ein Monet-Gemälde mit Kartoffelpüree beworfen. Es folgt eine Welle der Empörung. Zu Recht?

Zwei junge Menschen vor einem mit Tomatensuppe begossenen Sonnenblumen-Gemälde van Goghs

Tomatensuppe aus der Dose auf Van Gogh: Protestaktion am 14. Oktober in London Foto: Just Stop Oil/ap

Plötzlich tropfte es rot von den friedlich stillstehenden Sonnenblumen. Zwei Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen der Gruppe „Just Stop Oil“ hatten das in der britischen Nationalgalerie in London ausgestellte Meisterwerk von Vincent van Gogh mit Tomatensuppe besudelt. Fotos von den beiden gingen schnell um die Welt und mit ihnen eine Welle der Empörung: Geht es zu weit, wenn Klimaprotest sich gegen unersetzliche Kulturgüter richtet? Schnell gab das Museum Entwarnung: Das Gemälde war geschützt hinter Glas, ihm war nichts passiert. Eine der Ak­ti­vis­t:in­nen erklärte in einer Stellungnahme, dass die Gruppe niemals ein nicht verglastes Gemälde für die Aktion genutzt hätte. Alles nicht so wild.

Und so hätte die deutsche Kopie der Aktion eigentlich mehr für ein müdes Schulterzucken sorgen können, oder? Aber weit gefehlt: Die Rage kennt kein Ende. Ak­ti­vis­t:in­nen der Klimaschutz-Gruppe „Letzte Generation“ beschmadderten im Potsdamer Museum Barberini am Sonntag Monets „Getreideschober“ mit Kartoffelbrei, klebten sich daneben fest. „Aktionen, die fremdes Eigentum beschädigen, sind nicht nur eine Dummheit, sondern auch kriminell“, twitterte Justizminister Marco Buschmann (FDP). Dabei hatte auch das Barberini sofort mitgeteilt, dass das Gemälde wie im Londoner Fall verglast und somit nicht beschädigt worden war. Ab Mittwoch ist es wieder zu sehen.

Macht die radikale Flanke gemäßigte Gruppen sympathisch?

Buschmann und seine FDP sind natürlich ohnehin nicht als Speerspitze des Klimaschutzes bekannt, aber er ist mit seiner Aufregung nicht allein. Ebenfalls auf Twitter äußerte sich der Pianist Igor Levit, der Grünen-Mitglied ist und schon für und mit Fridays for Future auf der Straße Klavier gespielt hat: „Wenn Du etwas Schönes bewahren willst, warum verletzt / zerstörst Du etwas Schönes? Wem wird geholfen? Die Kausalität will mir nicht in den Kopf.“ Und „simply embarrassing“, also einfach nur peinlich, findet der Journalist und Youtuber Tilo Jung die Aktion, wie er auf Twitter mitteilte. Die Ak­ti­vis­t:in­nen würden der Sache schaden.

Das Manko der Aktion ist die schwer verständliche Kommunikation

Ist das denn so? Es klingt erst mal schlüssig: Radikale Aktionen verprellen Menschen, die inhaltlich eigentlich an Bord wären. Ganz von der Hand zu weisen ist das sicher nicht. Sozialwissenschaftliche Forschung zeigt aber, dass das nichts Schlechtes sein muss. Die radikale Flanke einer Bewegung kann zum Beispiel auch die positive Wirkung haben, dass die gemäßigteren Gruppen plötzlich besonders sympathisch und vernünftig wirken – und so Zulauf und Unterstützung bekommen. Der Diskurs kann sich so erfolgreich verschieben. Ein Beispiel dafür sind die Suffragetten, die für Frauenrechte Blockaden veranstalteten, Briefkästen sprengten und daher nicht beliebt waren – aber das Thema zwangsweise auf der Tagesordnung hielten.

Ob eine Aktion, bei der die Glasscheibe über einem Gemälde mit Kartoffelbrei eingeschmiert wird, überhaupt radikal ist, darüber lässt sich natürlich streiten. Symbolischer geht es doch gar nicht. Anders als bei ihren Straßenblockaden trifft die „Letzte Generation“ diesmal aber ein Milieu, zu dessen Selbstverständnis und Normalität nicht das Autofahren gehört, sondern das Genießen oder Schaffen von Kunst. Das größte Manko der Aktion ist wohl nicht, dass jetzt Mu­se­ums­mit­ar­bei­te­r:in­nen zum Glasreiniger greifen müssen. Es ist wieder mal die schwer verständliche Kommunikation. Wie damals, als dieselbe Gruppe bei Straßenblockaden Lebensmittel auskippte, um auf Lebensmittelverschwendung aufmerksam zu machen.

Wie es bei Monets Liebe zur Natur sein könne, dass viele mehr Angst davor hätten, „dass eines dieser Abbilder der Wirklichkeit Schaden nimmt, als vor der Zerstörung unserer Welt selbst“, fragte etwa eine Sprecherin der Gruppe. Kartoffelbrei als besondere Wertschätzung für Monets Naturfreundschaft – nun gut. Andererseits: Wann hat die Welt das letzte Mal über den „Getreideschober“ geredet?

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.