Hungerstreik im Wohnzimmer

Fürs Energiesparen geht Reinhard Dowe bis zum Äußersten: Weil Detmolder Behörden eine Privatheizung stilllegten, trat der Bergbau-Ingenieur vor 20 Tagen in einen Hungerstreik

„Das mit der Gesundheitsgefährdung durch die Heizung ist Blödsinn. Dann müssten doch auch die Katzen im Keller irgendeine Reaktion zeigen“

AUS DETMOLD STEFAN DERSCHUM

Seit zwanzig Tagen haben Paul und Marga Willer einen genügsamen Gast. Reinhard Dowe braucht nur ein Klappbett, Wasser und Vitamintabletten. Der 64-Jährige befindet sich im Hungerstreik. „Es geht mir halbwegs gut, ein paar Mal Schüttelfrost, sonst nichts,“ sagt der untersetzte 64-jährige. Durchhalten werde er in jedem Fall, auch wenn er neun Kilogramm abgenommen hat: „Ich gebe nicht auf, bis die Forderungen erfüllt sind“. Dowe kämpft für einen Energiesparfilter im Heizungskeller.

Paul Willer sitzt gebeugt in einem alten Sessel und schüttelt den Kopf. Er versteht die Welt nicht mehr in seinem voll gestellten Wohnzimmer. Aus dem Keller zieht der Geruch von Katzentoiletten nach oben. Im Vorgarten hängt ein weißes Laken, auf dem große Lettern vom Hungerstreik bei den Willers künden.

Für die Protestaktion hat Dowe sogar ein Klassentreffen zum 50. Jahrestag des Abschlusses an einer Borkener Volksschule sausen lassen. Stattdessen hungert er bei Familie Willer in Detmold, „damit große Ideen schneller und besser realisiert und nicht mehr von der Bürokratie erstickt werden“. Das ist die politische Botschaft des 64-jährigen Rentners – des ehemaligen Bergbauingeniers, einstigen Vorsitzenden der Gruppe Gelsenkirchener Autoren, des Autoren von „Grundlagen für ein anderes Management“, des Leiters des „Futurverlag“ und selbst ernannten Gesellschaftskritikers. Detmold ist für ihn nur eine Station in seinem Kreuzzug gegen die Bürokratie, die eine „große Erfindung“ verhindert.

Die große Erfindung besteht aus kleinen Steinen in einem aus Lochstahl hergestellten Behälter. 30 Prozent Energieeinsparung verspricht Dowe durch den „Klemens-Brückner-Umweltbrenner“ (K-BUB). Die Erfindung entdeckte er vor zwei Jahren bei dem Tüftler Klemens Brückner aus Hartefeld. Und ursprünglich wollte er sie mit ihm zusammen vermarkten. „Das hat nicht geklappt – es springt für mich zwar nichts mehr dabei heraus“, sagt Dowe, trotzdem setze er sich für die geniale Idee ein.

Paul und Marga Willer haben den „K-BUB“ im Herbst in ihre alte Heizungsanlage eingebaut. Weil sie sich nachdrücklich weigerten, das Teil trotz Aufforderung des Bezirksschornsteinfegermeisters wieder auszubauen, hat die städtische Bauaufsicht Mitte April das Gas abgedreht. Reinhard Dowe sagt: „In anderen Städten gab es keine Probleme. Auf so einen Bezirksschornsteinfeger und so eine Verwaltung habe ich nur gewartet.“

Im Frühjahr 2004 hatte der Bezirksschornsteinfeger festgestellt, dass die Abgase der alten Heizungsanlage im Keller des Ehepaares zu hoch waren. Die Heizung hätte ausgetauscht werden müssen. Doch das MDR-Erfindermagazin „Einfach genial“ brachte Paul Willer im Oktober 2004 auf eine andere Lösung –den Einbau des „K-BUB“. Die Erfindung soll „ähnlich wie ein Katalysator im Auto“ funktionieren und „so manch alter Heizungsanlage zu einer Kosten sparenden und umweltfreundlichen Lebensverlängerung“ verhelfen. So steht es immer noch auf der Homepage des mitteldeutschen Senders. In Fachforen im Internet klingen die Kommentare freilich weniger erfreulich: Manche bezeichnen den K-Bub sogar als Scharlatanerie und Geldmacherei.

Paul Willer war vom K-BUB dennoch überzeugt und ließ ihn durch eine Fachfirma einbauen. Und so geriet seine Welt dann ins Wanken: Der Bezirksschornsteinfegermeister informierte die Bauaufsicht über den Einbau. Und die Stadt Detmold schreibt dazu, dass „keine gesetzlich vorgesehene Bescheinigung eines Fachunternehmens“ vorlag. Auch die Betriebssicherheit der Feuerstätte sei nicht gegeben und das stelle eine Gefahr für Leib und Leben dar. Schließlich befanden Mitarbeiter des Bezirksschornsteinfegermeisters, dass die Abgase aus dem Keller nicht mehr abzögen, sondern in den Kellerraum strömten.

Doch Reinhard Dowe und das Ehepaar Willer beharren auf ihrem Standpunkt: „Das ist doch Blödsinn, dann müssten auch die Katzen im Keller irgendeine Reaktion zeigen“. Dowe hält eine Gefährdung der Öffentlichkeit durch den „K-BUB“ für „absurd“. Er nennt positive TÜV-Gutachten, spricht von „Behörden-Willkür“, einer „Posse“. Den Weg durch weitere Instanzen hat er deshalb verlassen: „Ich bin es leid, jetzt muss ich anders handeln“, sagt er.

Seit dem 1. Juni hungert Reinhard Dowe nun für seine Forderungen. Die Gaszufuhr der Familie Willer soll wieder hergestellt werden. Zudem soll die Heizungsanlage von wirklichen Sachverständigen geprüft werden im Beisein von zwei Vertretern der Schornsteinfeger-Innung. Schließlich müsse den Willers die Abnahmebescheinigung überreicht werden, sagt Dowe kämpferisch und lächelt selbstbewusst. Nur Paul Willer sitzt in seinem alten Sessel und schüttelt den Kopf.