Neue Sonderbeauftragter für Migration: Neokoloniale Rosinenpickerei

Der Migrationsbeauftragte soll wohl für die „richtigen“ Ein­wan­de­r:in­nen sorgen. Dabei fehlen nicht nur Fachkräfte, sondern schlicht Arbeitskräfte.

Porträt Joachim Stamp

Joachim Stamp wird Sonderbevollmächtigter für Migration Foto: Björn Kietzmann

Die Bundesregierung bekommt im neuen Jahr einen Sonderbevollmächtigten für Migration. Joachim Stamp (FDP), einst Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen, soll sich im Auftrag von SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser darum kümmern, dass Einwanderung in unser schönes Deutschland auch schön geordnet passiert.

Dass Fachkräfte aus fernen Ländern einreisen dürfen, um unseren Wohlstand zu sichern. Aber natürlich auch, dass Abkommen mit Herkunftsländern abgeschlossen werden – zwecks Rücknahme abgelehnter Asylbewerber. Das soll der Fortschritt einer gefühlt halblinken Regierung sein? Man möchte nur noch gepflegt in die Tischkante beißen.

Deutschland braucht dringend mehr Menschen, um die demografische Schieflage auszugleichen. Das ist unabweislich. Aber die Rosinenpickerei nach handverlesenen Fachkräften ist nicht nur eine neokoloniale Ausbeutung. Sie ist auch noch falsch. Denn tatsächlich fehlen ja nicht nur Jungakademiker, sondern schlichtweg Menschen in allen Bereichen. Erzieher, Lkw-Fahrerinnen, Kellnerinnen, Pflegekräfte und, und, und. Und daher ist jeder Mensch, der abgeschoben statt ausgebildet wird, ein Verlust.

Tatsächlich wäre es völlig egal, wer aus welchem Grund kommt, wenn man Integration endlich mal ernst nähme. Wenn diejenigen, die trotz der mit deutscher Gründlichkeit gepflegten Fremdenfeindlichkeit hier ihr Asyl, ihren Frieden, ihr Glück finden wollen, weil ihnen andernorts Krieg, Verfolgung oder einfach nur Armut drohen, mit einem herzlichen, „Hallo, schön, dass Sie da sind!“, begrüßt würden. Wenn man ihnen ab dem ersten Tag einen Sprachkurs und ab dem zweiten eine Aus- oder Weiterbildung anbieten würde. Dann gäbe es binnen kürzester Zeit Fachkräfte in allen möglichen Bereichen: Programmiererinnen, Pflegekräfte, Paketboten.

Stattdessen gibt es nun einen Beauftragten, der Migration aus Angst vor Rassismus nicht nur als einmalige Chance preist, sondern auch gleich als Problem brandmarkt. Das ist nicht nur unmenschlich, sondern auch noch volkswirtschaftlicher Quatsch.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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