Kommentar von Christian Mihatsch zum Hochsee-Abkommen
: Erholungskur für die Meeresbewohner

Die „Freiheit der Meere“ hat bislang die Ausweisung von Schutzgebieten unmöglich gemacht. Es gab schlicht keine Rechtsgrundlage dafür. Das hat sich in dem Moment geändert, als sich die UN-Mitgliedstaaten informell auf ein Zusatzabkommen zur UN-Seerechtskonvention Unclos geeinigt haben. Sobald es formell verabschiedet ist und von 60 Ländern ratifiziert wurde, ist die Ausweisung von Schutzgebieten auch außerhalb der 200-Meilen-Zone (370 Kilometer), also in der Hochsee, möglich.

Das neue Abkommen ist der zweite große Erfolg für den Artenschutz innerhalb von drei Monaten. Im Dezember hatten sich die Länder bereits auf die neuen Artenschutzziele für das Jahr 2030 geeinigt. Eines dieser Ziele ist die Ausweisung von Schutzgebieten auf 30 Prozent der Meeresfläche. Ohne Schutzgebiete in der Hochsee lässt sich dieses Ziel aber nicht erreichen, da die Hochsee knapp zwei Drittel der Meeresfläche ausmacht.

Das Hochsee-Abkommen beinhaltet zudem eine beinahe einzigartige Regelung: Es reicht, wenn drei Viertel der Mitgliedsländer des Abkommens für die Schaffung eines Schutzgebiets stimmen. Ein Konsens ist nicht erforderlich. Das einzige andere Umweltabkommen mit dieser Regelung ist Cites (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora), das Washingtoner Artenschutzabkommen, das den Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten regelt. Cites gilt bislang als eines der effektivsten Umweltabkommen der Welt.

Die Überwindung des Konsensprinzips ist eine wesentliche Errungenschaft, die hoffentlich auch in anderen multilateralen Abkommen Schule machen wird, denn sie stärkt das multilaterale System als Ganzes. Eine weitere Neuerung sind die Regeln für Umweltverträglichkeitsprüfungen für Aktivitäten, die potenziell eine Gefahr für die Artenvielfalt darstellen. Diese Regeln waren schon diese Woche relevant: Seit Dienstag berät die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) über Bestimmungen für den Tiefseebergbau. Die ISA ist knapp 30 Jahre alt und misst der Erschließung von Bodenschätzen im Meer eine größere Bedeutung zu als der Beeinträchtigung des Ökosystems Tiefsee. Mit den Bestimmungen des neuen Hochseeabkommens hat die ISA nun eine modernisierte Blaupause, an der sie sich orien­tieren kann. Dadurch kann das zersplitterte Regelwerk für den Meeresschutz ein Stück weit vereinheitlicht werden.

Sobald das neue Abkommen in Kraft ist, sollten sich schnell messbare Erfolge sehen lassen: Die Meere und ihre Bewohner erholen sich schnell, wenn man ihnen geschützte Refugien schafft. Und genau das passiert jetzt.