Bericht der US-Geheimdienste: „Havanna-Syndrom“ wohl kein Angriff

Untersuchung zu mysteriösen Gesundheitsproblemen von US-Diplomaten findet die Ursache nicht. Ein ausländischer Angriff ist aber unwahrscheinlich.

„Sehr reale Erfahrungen und Symptome“: Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines Foto: Imago

NEW YORK taz | Das Syndrom befällt Spione und Diplomaten der USA. Die gefährlichen Übertragungsorte sind Botschaften, Konsulate und andere Einrichtungen der USA in 96 Ländern. Symptome sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Tinnitus und in manchen Fällen auch bleibende Hirnschäden. Mehr als 1.800 Menschen leiden darunter.

Bislang ist unbekannt, was der Auslöser des mysteriösen Syndroms ist. Davon unbeeindruckt haben die Verantwortlichen in der US-Hauptstadt längst Schuldzuweisungen unternommen. Seit sechs Jahren benutzen sie den Begriff „Havanna-Syndrom“. Sie reden von „Schallwaffen“, „Mikrowellen“, „pulsierender Hochfrequenz-Energie“ und noch namenlosen neuen Waffen, mit denen „Gegner der USA“ ihre Einrichtungen in aller Welt angreifen würden. Selbst die angesehenen „National Academies of Sciences“ machen mit dabei.

Doch in dieser Woche haben Vertreter von sieben Geheimdiensten der USA diese Behauptungen entkräftigt. Am Donnerstag beendete das Office of the Director of National Intelligence (ODNI) eine zweijährige Untersuchung über das Syndrom.

Nach „sorgfältiger Prüfung“ kamen die sieben US-Geheimdienste zu dem Schluss, dass es „mit höchster Wahrscheinlichkeit“ keine externen Verantwortlichen, keine „gegnerische Partei“ und keine „gegnerischen“ Angriffe gibt.

„Höchstwahrscheinlich“ keine externen Verantwortlichen

Weder Russland, noch China, noch Kuba steckten hinter dem Syndrom. Nach dem Bericht ist es „höchst unwahrscheinlich“, dass die neurologischen Verletzungen auf Waffen oder ausländische Regierungen zurückgehen.

Statt der alten Gegner der USA macht das ODNI „Vorerkrankungen, konventionelle Erkrankungen und Umweltfaktoren“ für das Syndrom verantwortlich. Und es führt einen neuen Begriff ein. Künftig soll es „anomale gesundheitliche Vorfälle“ heißen.

Als wolle sie Opfer des Syndroms beruhigen, fügte ODNI-Direktorin Avril Haines hinzu: „Diese Ergebnisse stellen die sehr realen Erfahrungen und Symptome, von denen unsere Kollegen und ihre Familienangehörigen berichtet haben, nicht in Frage.“

Der Bericht bestätigt eine andere Untersuchung über das Syndrom, die die CIA Anfang letzten Jahres abgeschlossen hat. Auch dabei kam heraus, dass es keine externen Verantwortlichen gibt. Allerdings haben weder die CIA noch das ODNI bislang bekannt gemacht, was die tatsächlichen Auslöser des Syndroms sind.

„Leichentücher der Geheimhaltung“

Die sieben Geheimdienste haben laut ODNI „sehr sorgfältig“ untersucht. CIA-Direktor William Burns nennt die Untersuchung „eine der größten und längsten Untersuchungen in der Geschichte der Behörde“. Die Geheimdienstexperten sind vor Ort gereist. Haben Klimaanlagen sowie elektronische Kommunikationsmittel in den Büros der vom Syndrom befallenen Diplomaten und Spione untersucht. Und haben recherchiert, was die Betroffenen in den Stunden und Tagen vor Ausbruch des Syndroms getan und wo sie sich aufgehalten haben.

Die Öffentlichkeit allerdings kann nichts davon überprüfen. Denn der der Bericht des ODNI soll Verschlusssache bleiben.

Mehrere Opfer und mindestens einer ihrer Anwälte wollten sich damit nicht abfinden. Die Opfer nennen den Bericht unvollständig und undurchsichtig. Und sie rufen die Geheimdienste dazu auf, ihre Erkenntnisse zu veröffentlichen.

Mark Zaid, der mehrere Opfer des Syndroms anwaltlich vertritt, spricht von „Leichentüchern der Geheimhaltung“. So lange die nicht gelüftet seien und so lange die Analysen, die zu den „Behauptungen geführt haben, nicht verfügbar sind und nicht ordnungsgemäß angefochten werden können“ will er von „angeblichen und wertlosen Schlussfolgerungen“ sprechen.

Marco Rubio hält am Begriff „Havanna-Syndrom“ fest

Auch manche Politiker mögen sich nicht von ihrer langjährigen Schuldzuweisung trennen. Senator Marco Rubio aus Florida, selbst ein Nachfahre von Einwanderern aus Kuba und zugleich Vize-Chef des Geheimdienstausschusses im US-Senat, ist einer von ihnen. Er hält trotzig an dem Begriff „Havanna-Syndrom“ fest und erklärt: „Nur weil die Behörden es nicht schlüssig mit einer hochmodernen Waffe in Verbindung bringen können, die sich im Besitz ausländischer Agenten befindet, bedeutet das nicht, dass diese Möglichkeit ausgeschlossen ist.“

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