Grüne unter Druck: Kein Grund zur Zerknirschung

Der Zeitgeist steht derzeit ungünstig für die Grünen. Doch die Partei bleibt der unverzichtbare Motor der ökologischen Transformation.

Sonnenblumenfeld

Es gibt Grund für selbstkritische Reflexion, nicht aber für grüne Zerknirschung Foto: Yevgeniy Sam/Panthermedia/imago

Die 40-Jahr-Feier zum Einzug der Grünen in den Bundestag hätte fröhlicher ausfallen können. Sie war getrübt durch sinkende Umfragewerte, das Gezerre um das Gebäudeenergiegesetz und den internen Konflikt um den europäischen Asylkompromiss. Aber das sind nur Oberflächenphänomene. Das aktuelle grüne Tief hat viel damit zu tun, dass die Stimmung im Land wie in Europa am Kippen ist. Grüne Hegemonie in bestimmten Mi­lieus ist weit von politischer Mehrheitsfähigkeit entfernt. Der Zeitgeist bläht nicht mehr das grüne Segel.

In der Klimapolitik wachsen die Widerstände, wenn es ans Eingemachte geht. Forcierte Zeitpläne und ordnungspolitische Unklarheit – wie viel ökologische Marktwirtschaft, wie viel engmaschige Top-down-Regulierung – verschärfen das Problem.

Auch in kulturellen Streitfragen baut sich massiver Widerstand auf. Das Wutbürgertum – beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 scheinbar noch Verbündeter der Grünen – richtet sich jetzt voll gegen sie. Grüne Anliegen und Diskurse sind nicht mehr wie selbstverständlich in der Offensive. Vielfach geht es – wie in der Flüchtlingspolitik – eher um die Verteidigung elementarer Standards. Darauf muss sich grüne Politik neu einstellen, sonst gibt es ein unsanftes Erwachen.

Das Ende der Schönwetterpolitik gilt nicht nur für die Grünen. Alle Parteien müssen Antworten auf die Akkumulation von Krisenfaktoren jenseits des Klimawandels finden: Krieg, Teuerung, Steuer- und Abgabenlast, Regulierungsdickicht, Fachkräftelücke, Wohnungsnot. Das „Modell D“ trudelt in eine Krise, die nicht nur den Wohlstand, sondern auch die demokratische Stabilität gefährdet. Vertrauen und Wahlen gewinnt, wer den Mut zum Wandel mit Augenmaß, Fairness und einer neuen Idee von Fortschritt verbindet.

Es gibt Grund für selbstkritische Reflexion, nicht aber für grüne Zerknirschung. Grüne bleiben der unverzichtbare Motor der ökologischen Transformation. Und sie halten die Ampel auf Kurs bei der Unterstützung der Ukraine. Das ist schon viel.

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Ralf Fücks war Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung und hat zusammen mit Marieluise Beck das Zentrum Liberale Moderne gegründet.

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