Nach Wagner-Aufstand in Russland: Putin sieht Apparat hinter sich

Nach der gescheiterten Wagner-Revolte inszeniert sich der Präsident als Bewahrer des inneren Friedens. Der Spott lässt nicht lange auf sich warten.

Putin schreitet auf einem roten Teppich eine Treppe herunter

„Und jetzt gute Nacht, oder wie?“: Putin am Dienstag in Moskau Foto: Sergei Guneyev/Sputnik Kreml/reuters

MOSKAU taz | Am Dienstagmittag schreitet Russlands Präsident Wladimir Putin auf rotem Teppich die Treppen des Facettenpalastes herunter. Hunderte von Soldaten in Camouflage haben sich auf dem Kremlgelände versammelt. Er dankt ihnen für „die Entschlossenheit und den Mut“, sie hätten „faktisch einen Bürgerkrieg verhindert“. Es ist Putins Signal der Einheit, das Heraufbeschwören des „patriotischen Zusammenhalts“, ohne den das „Vaterland in diesen schwierigen Zeiten“ nicht zu halten sei.

Bereits am Vorabend hatte sich der Kremlchef zum gescheiterten Aufstand von Jewgeni Prigoschin und dessen Paramilitär-Truppe Wagner im Staatsfernsehen zu Wort gemeldet. Er wollte Boden zurückgewinnen, den er durch Prigoschins Kurzzeit-Revolte am Wochenende in so kurzer Zeit verloren hatte. Wollte in nur wenigen Minuten zeigen: Hier bin ich, der legitime Präsident, der sich nicht erpressen lässt.

Putin wählte vor braunen Holzpaneelen freilich andere Worte, um sich als Bewahrer des inneren Friedens zu verkaufen. Er beeilte sich zu zeigen, dass er das gesamte Volk und seinen gesamten Apparat hinter sich wisse. „Alle Ebenen“ hätten sich „in Einheit versammelt“, sagte er.

Dass sich kaum einer aus der Regierung – verunsichert durch die Gefahr, die auf Moskau in Form von Panzern zurollte – am Samstag öffentlich hinter Putin stellte, dass niemand aus der Bevölkerung, von der es stets heißt, sie stünde zu 80 Prozent hinter ihrem Präsidenten, mit einem Pro-Putin-Plakat auf die Straße gewagt hatte: Das kommt in der offiziellen Erzählung nicht vor. Machtkämpfe trägt das russische Regime grundsätzlich nicht öffentlich aus. Prigoschin aber hat mit dieser ungeschriebenen Regel gebrochen und Putin auf schmachvolle Weise herausgefordert.

Moskau sagt Prigoschin Straffreiheit zu

In seiner Montagsrede erneuerte Putin seinen Vorwurf des Hochverrats, nannte Prigoschin aber weiter nicht beim Namen. Ein Blutvergießen sei gestoppt worden, Russlands „Feinde“ hätten auf einen solchen „Brudermord“ gesetzt, die Ukraine und der Westen „wollten, dass sich russische Soldaten gegenseitig umbringen“, sagte er.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Die Version, der Westen habe zum Aufstand beigetragen, ist ein neuer Spin des Kreml. Außenminister Sergei Lawrow hatte zuvor ähnlich gesprochen, staatliche Fernsehsender pflegen nun ebenfalls dieses Narrativ. Den Wagner-Kämpfern bescheinigte Putin die nötige „Vaterlandsliebe“ und rief sie auf, Verträge mit dem russischen Verteidigungsministerium zu unterschreiben, nach Hause oder nach Belarus ins Exil zu gehen.

Was der Kreml als „schicksalsbestimmende Rede“ angekündigt hatte (und später behauptete, es nie so genannt zu haben), war eine zornige Wiederholung dessen, was Putin bereits am Samstag gesagt hatte, als der Aufstand in vollem Gange war. Der Spott war ihm sogleich sicher. „Stimmt mit meiner Leitung etwas nicht, kommt da noch was?“, fragten selbst die patriotischsten Kriegsunterstützer in ihren Telegram-Kanälen. „Und jetzt gute Nacht, oder wie?“

Nach Putins Rede schaltete das Staatsfernsehen für knapp 30 Sekunden zur Sitzung des Sicherheitsrates um. Es wurden lediglich Putins Begrüßungsworte an alle Vertreter der sogenannten Silowik gezeigt, auch Verteidigungsminister Sergei Schoigu war zu sehen, den Prigoschin so gern ausgeliefert bekommen hätte. Die Aufnahmen sollten zeigen, wie geschlossen der Apparat hinter Putin steht.

Prigoschin ist am Dienstag mit seinem Jet im Nachbarland Belarus angekommen, wie der belarussische Staatschef Alexander Lukaschenko am Nachmittag bestätigte. Prigoschin hatte sich bereits am Montag in einer Audiobotschaft geäußert. Einen „Machtwechsel“ habe er nie gewollt, er habe lediglich „schwerwiegende Sicherheitsprobleme“ aufgezeigt und nicht zusehen wollen, wie seine Truppe aufgelöst werde, deshalb der „Protest“.

Nun wird diese anderweitig aufgelöst. Er und seine Kämpfer bleiben dabei straffrei, wie der Inlandsgeheimdienst FSB am Dienstag mitteilte. Was mit den Paramilitärs in Belarus passiert, bleibt vorerst offen. Indes soll Russlands Nationalgarde, dem Staatschef direkt unterstellt, mit schwerem Kriegsgerät ausgestattet werden. Die Wagner-Söldner sind weg, nun soll offensichtlich Putins eigene Privatarmee deren Job in der Ukraine übernehmen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.