Patente auf Lebensmittel: Pflanzen im Scherenschnitt

Bestimmte Techniken zur Genveränderung von Pflanzen sollen nicht mehr ausgewiesen werden. Die Biobranche sieht vor allem die Patentierung kritisch.

Zwei Hände voll Kartoffeln

„Normale“ und gentechnisch veränderte Kartoffeln lassen sich äußerlich nicht unterscheiden Foto: Jens Kalaene/dpa

Die EU-Kommission will die Auflagen für die Zulassung von Pflanzen, die mit neuen genomischen Techniken, kurz: NGTs, entwickelt wurden, lockern. Kritiker kamen im Verfahren kaum zu Wort. Der Chef des Ökoanbauverbandes Bioland Jan Plagge warnt jedoch, die Agrarkonzerne werden sich ihre Züchtungen patentieren lassen.

Bei den neuen genomischen Techniken werden die im Erbgut vorhandenen Gene gezielt abgeschaltet oder umgebaut. Das ist ähnlich einer Art Schere, mit der sich einzelne Buchstaben oder längere Passagen im genetischen Text entfernen, verändern, hinzufügen lassen. Dieses Gen-Editing gilt als kostengünstig, schnell, vor allem schneller als die klassische Züchtung, bei der in einer Vielzahl von Kreuzungen die beste Variante gefunden werden muss.

Geht es nach der EU-Kommission, sollen Pflanzen, die mit dieser neuen Methode gezüchtet wurden, künftig nicht mehr als gentechnisch verändert ausgewiesen und keiner zusätzlichen Risikoprüfung mehr unterzogen werden. „So können Hersteller diese leichter als bisher auf den Markt bringen“, sagt Plagge. Das Problem aber seien die Patente. Sind Pflanzen konventionell gezüchtet, können sie nicht als patentierbare Erfindungen eingetragen werden. Kommen sie mit gentechnischen Methoden zustande, dann ja.

Auf der Homepage des Europäischen Patentamtes heißt es: „Die Entwicklung von Pflanzen, die resistenter gegen Krankheiten oder veränderte Umweltbedingungen sind, ertrag- oder nährstoffreicher sind oder zum Anbau weniger Ressourcen wie Wasser, Dünger oder Pflanzenschutzmittel benötigen, sind von herausragender Bedeutung für eine nachhaltige Landwirtschaft und den Erhalt der Ernährungssicherheit.“ Die Züchtung sei jedoch „mit hohem Aufwand, Kosten und Risiko verbunden“. Die Patentierbarkeit solle Anreiz für Investitionen schaffen.

Riesiges Geschäftsmodell für Konzerne

„Es geht dabei allein um ein riesiges Geschäftsmodell für wenige Agrarchemiekonzerne wie Syngenta, BASF, Bayer und Corteva“, sagt indes Plagge. Der studierte Agraringenieur macht das zum Beispiel an der Kartoffel fest. Genauer: der Kartoffelfäule, die berühmt und gefürchtet ist, seit es Mitte des 19. Jahrhunderts zur großen Hungersnot in Irland kam.

Ein Pilz, Phytophthora infestans, ließ die Knollen verfaulen. Der Pilz schafft es bis heute auf die Kartoffeläcker. So mancher kennt ihn aus seinem eigenen Garten. Die Befürworter der neuen genomischen Techniken stellen resistente Sorten in Aussicht.

Dazu sagt Plagge: „Mal angenommen, die Konzerne spürten im Erbgut einer wilden Kartoffelpflanze die gesuchte Pilzresistenz auf. Dann könnten sie mit Crispr Cas einen Genabschnitt in verschiedenen Sorten so bearbeiten, dass darin dieselbe Eigenschaft festgeschrieben ist. Diesen Genabschnitt könnten und würden sie sich dann sicher patentieren lassen.“ Crispr Cas ist der Name eines gentechnischen Verfahren, das in Japan entwickelt wurde.

Auch wenn Plagge davon ausgeht, dass die Kartoffel auf Dauer dem Pilz nicht standhält: „Mit einem einzigen Gen lässt sich eine Pflanze nicht lange schützen, denn gibt es kein Zusammenspiel mehrerer Gene, bricht die Resistenz schon nach wenigen Jahren wieder zusammen. Der Pilz passt sich an, überwindet schnell seinen Gegner. Unsere Probleme löst das nicht, das geht nur mit verbesserten Anbaustrategien, mehr Fruchtfolgen etwa.“ Sei das Patent aber einmal da, sagt er, werde es für andere, kleine oder mittelgroße Zuchtbetriebe schwierig.

„Züchtungsfortschritt massiv gefährdet“

Deren Interessenvertretung, der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter, warnte bereits, dass Patente den „Züchtungsfortschritt massiv gefährden“ könnten. Das Problem: Eigentlich können sich die Betriebe auf ihr Züchterprivileg verlassen, dürfen alle registrierten Sorten für neue Züchtungen nutzen. Produkte mit Patent sind davon jedoch ausgenommen. Diese kann nur nutzen, wer eine Lizenz dafür zahlt.

„Die Macht über die Verwendung von genetischem Pflanzenmaterial liegt damit im Gutdünken der Konzerne. Dabei sind die Resistenzen, mit denen sie so Geld verdienen, eigentlich eine Erfindung der Natur und Allgemeingut“, sagt Plagge.

Aber gibt es für mit Crispr Cas erfundene Pflanzen – egal ob Kartoffel oder auch Soja, Weizen, Mais – überhaupt noch Patentschutz, wenn die Methode nicht mehr als Gentechnik gilt? Plagge meint: „Solange das Patentrecht nicht geändert wird, ja. Und im Entwurf zum neuen Gentechnikrecht steht dazu nichts.“ Dem neuen Recht müssen EU-Parlament und Rat der Mitgliedstaaten zustimmen, es wird noch Diskussionen geben.

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