Kirchenrechtler über Abschiebung: „Sie gehören zu uns“

Der Familie des Ex-DDR-Vertragsarbeiters Pham Phi Son droht weiter die Abschiebung. Daniel Frank von der Katholischen Kirche Sachsen setzt sich für sie ein.

Ein Pfarrer und eine Familie

Pham Phi Son und seine Familie Foto: privat

taz: Herr Frank, die Ausländerbehörde Chemnitz hat Frau und Tochter des ehemaligen DDR-Vertragsarbeiters Pham Phi Son zur Ausreise aus Deutschland aufgefordert. Als Kirche machen Sie sich für die Familie stark. Warum?

Daniel Frank: Weil die Familie zusammengehört. Auch wenn die Heirat der Eltern bislang nicht durch staatliche Dokumente belegt werden konnte: Sie leben als Familie zusammen und erziehen gemeinsam ein Kind. Damit genießen sie nach dem Grundgesetz und auch aus unserer kirchlichen Sicht einen besonderen Schutz als Familie. Die Tochter Emilia hat das Recht, in der Geborgenheit beider Eltern aufzuwachsen.

ist 53 Jahre alt, Jurist und Vertreter der Katholischen Kirche in Sachsen gegenüber der Staatsregierung und dem Parlament.

Diese Familieneinheit können sie aber auch nicht in Vietnam leben, denn der Familienvater lebte mehr als die Hälfte seines Lebens in Deutschland. Für ihn wäre eine Ausreise nach Vietnam nicht zumutbar und ein hoffnungsloses Unterfangen. Dort wäre er sozial in keiner Weise abgesichert. Er wäre in seinen Rechten beschnitten, so zum Beispiel in Sachen gesellschaftliche Teilhabe.

Gibt es da juristisch überhaupt Hoffnung auf ein Bleiberecht?

Der Rechtsweg ist meines Wissens ausgeschöpft. Die sächsische Härtefallkommission hat zweimal ein humanitäres Bleiberecht abgelehnt. Es gibt aber auch Signale, die dazu ermutigen, dass die Familie ihre Integration nachweisen möge, um ein Bleiberecht zu erhalten. Da ist viel geschehen. Beide Elternteile haben ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in einem sächsischen Gastronomiebetrieb, der sie dringend braucht. Beide haben Sprachtests absolviert. Es wäre der Familie geholfen, wenn sie für weitere Nachweise mehr Zeit bekäme und der Druck einer drohenden Abschiebung da erst mal rausgenommen würde.

Die Familie ist Mitglied in der katholischen Kirchengemeinde in Chemnitz sowie in einer überregionalen vietnamesischen Kirchengemeinde in Leipzig. Welche Stimmung erfahren Sie aus diesen Gemeinden?

Ganz klar: Sie gehören zu uns. Die Familie ist in die Gemeinden integriert. Es gibt eine große Sorge um das Kindeswohl der sechsjährigen Tochter. Sie soll im Sommer eingeschult werden. Das ist für die Sozialisierung eines Kindes ein ganz wichtiger Lebensabschnitt. Steht hier eine Abschiebung im Raum, wird jede Chance einer Sozialisation infrage gestellt.

Pham Phi Son selbst berichtete auf Facebook von Reaktionen aus seiner Gemeinde: Vietnamesen, die gerade in Sachsen als dringend benötigte Pflegekräfte ausgebildet werden, stellen ihre eigene Zukunft in Deutschland infrage, wenn man hier kurz vor Erreichen des Rentenalters wegen eines winzigen Fehlers seine Existenzgrundlage verliert.

Diese Meinungen landen auch bei mir. In der Tat hat Pham Phi Son sein Bleiberecht in Deutschland nach Jahrzehnten wegen einer Ordnungswidrigkeit verloren: Er hat aus gesundheitlichen Gründen seinen Urlaub in Vietnam verlängert, blieb länger als die erlaubten sechs Monate, weil er im Krankenhaus lag. Diese kleine Ordnungswidrigkeit steht in keinem Verhältnis zu den Folgen für ihn und seine Familie.

Ihre Kirche lädt am Samstag 19 Uhr zu einer Podiumsdiskussion in die Gemeinderäume der katholischen Kirche St. Josef in Chemnitz ein. Worum geht es?

Wir wollen ein Gesamtbild der Situation zeichnen, Möglichkeiten für ein Bleiberecht ausloten und gemeinsam mit anderen Akteuren einen zukunftsfähigen Weg dorthin suchen. Auch die Geschichte der DDR-Vertragsarbeiter wird thematisiert werden.

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