Brandmauer, Spanien-Wahl, Barbie: Ein Hauch Selbstherrlichkeit

Deutschland diskutiert über die Brandmauer, Musk zerstört Twitter. Und Geld wiegt in den Fällen Özil und Kanye West schwerer als Moral.

Mesut Özil sitzt mit seinen Spielerkollegen auf der Bank und lacht

Wäre man Özil, fühlte man sich bestätigt Foto: Foto: Seskim Photo/imago

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Feuer an Bord.

Was wird besser in dieser?

PR gegen E-Autos.

CDU-Chef Friedrich Merz klettert über die Brandmauer und sagt, auf kommunaler Ebene komme man um eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht herum. Hat es denn jemals eine Brandmauer gegeben?

„Wenn der AfD-Landrat den CDU-Bürgermeister anruft, geht der ans Telefon. Wenn der CDU-Bürgermeister was will, organisiert er eine Mehrheit ohne AfD.“ Wie man diese simple Bastelanleitung so verstolpern kann wie Merz, gemahnt an die staksige Unbeholfenheit, mit der Bundespräsident Horst Köhler sich interviewförmig abschaffte. Merz’ für einen 67-Jährigen erfrischende Präpotenz ist selbstgefährdend. Im Unterdeck der Demokratie, wo es um Straßenbeleuchtung, Zebrastreifen und Schulwegsicherheit geht, verwischen die Grenzen. Wenn die AfD merkt, dass es regnet, sollte die CDU nicht Sonnenschein behaupten. Einfach schneller merken, wenn’s regnet.

Der große Sieg der Rechten bei den Parlamentswahlen in Spanien ist ausgeblieben. Wurde ein zweites Italien gerade noch abgewendet?

In Spanien gibt es bereits Regionalregierungen aus der Konservativen und der Rechtspopulistischen Partei, hier also PP und VOX. Wo in Deutschland die CDU noch tollpatscht, wusste Spanien Bescheid. Hinzu kommen die schwer vergleichbaren Unabhängigkeitsbestrebungen der Basken und Katalanen. Die sind regional-nationalistisch und eben drum befeindet mit den nationalen Nationalisten. Verwirrend genug.

Aus Twitter wird X. Wie unattraktiv kann die Plattform noch werden?

Musk ist jetzt ein halber Schtonk. Charly Chaplins „großer Diktator“ führte zwei X im Schilde, so Hakenkreuz wie zugleich Autogramm eines Analphabeten. Ein Hauch von Selbstherrlichkeit, die Welt nach Gusto umbenennen zu können. Das weist den Weg zur endlichen Selbstzerstörung. In Musks Aktionen wird zunehmend der Wunsch nach religiöser Jüngerschaft ruchbar. Das sind dann deutlich weniger Leute als arglose Nutzer eines Microblogging-Dienstes, der mit seinen maximal 240 Zeichen auch schon eine kleine Vorauswahl unter den Freunden unterkomplexen Denkens trifft.

„Barbie“ oder „Oppenheimer“?

Ein trauriger Moment im Springer-Konzern, der 1952 die „Bild-Lilly“ erfand und 1964 an den Mattel-Konzern verkaufte. Daraus wurde eben „Barbie“, und so war es ein nachhaltiger Schlag gegen den Kinderverderber-Standort Deutschland. Einen Film über diese Historie würde ich gern sehen. Bis dahin: Oppenheimer.

Ex-Nationalspieler Mesut Özil zeigt sich auf Instagram mit einem Graue-Wölfe-Tattoo. Sogleich entfacht er eine Debatte über türkischen Faschismus. Können wir Özil dankbar sein?

Özils erster Club Rot-Weiss Essen kassierte längs seiner Karriere rund 700.000 Euro „Ausbildungsvergütungen“ bei jedem bezahlten Transfer des Spielers. Diese Woche feiert sich ein Mitarbeiter der Stadt Essen bei „Facebook“ mit einem Foto, auf dem zu sehen ist, wie er ein Özil-Foto im Nachwuchszentrum des Vereins moralisch tief erschüttert abhängt. Da hat keiner etwas falsch gemacht, und am Ende kommt dabei heraus: Wäre man Özil, fühlte man sich bestätigt.

Nach der Trennung von Kan­ye West verkauft Adidas seine „Yeezys“ besser als erwartet. Ist moralischer Konsum eine Utopie?

Klassisch gliedert sich Produktwerbung in die Kategorien „bewährt“ oder „neu“. Inzwischen grassiert als Metakategorie „scheißegal, aber die Haltung stimmt“. Man soll den Plunder kaufen, weil zum Beispiel Adidas mit einem streetcrediblen Rapper Kippe macht. Dann soll man sie kaufen, weil sie den als Antisemiten rausschmeißen. Dann, weil sie von jedem verkauften Antisemitenschuh ein Almosen für gute Zwecke abzweigen. Das ist sehr verwirrend und lenkt davon ab, dass Geld, im Gegensatz zu Plastikschuhen, nicht stinkt. Aus Sicht von Adidas.

Die Frauen gewinnen ihr erstes WM-Spiel gegen Marokko mit 6:0. Wird der Erfolg anhalten?

Nö, ich tippe auf ein 1:2 gegen Kolumbien.

Kevin Spacey wurde in einem Strafprozess wegen sexueller Übergriffe freigesprochen. Werden Sie sich seine Filme jetzt wieder anschauen?

Achtung langweilig: „Es gilt die Unschuldsvermutung.“

Was machen die Borussen?

Ex-Borusse Jude Bellingham wird Ire, um bei Real Madrid als Europäer das Kontingent zu schonen. Ätsch, Brexit.

Fragen: Valérie Catil

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.