No-Bra-Trend: „Nix drunter? Find ich schön!“

Diesen Sommer lassen viele Frauen den BH einfach weg. Hier erzählt Marie, 36, aus Berlin, warum. Ein Protokoll.

Brüste unter dem T-Shirt einer Frau.

Oben ohne? Wie die Frau auf diesem Foto lassen immer mehr den BH weg Foto: Leander Hopf/plainpicture

„Ich trage seit vielen Jahren fast nie einen BH. In letzter Zeit sehe ich auch immer mehr andere Frauen in der Öffentlichkeit, die nichts drunter haben. Angefangen hat das Ganze vermutlich auf dem Laufsteg und ist dann über Instagram und Tiktok in die Realität geschwappt – und einen Namen hat es auch: No-Bra-Trend.

Klar, den gibt es eigentlich nicht erst seit gestern. Schon 1968 haben Feministinnen BHs in die Mülltonne geworfen, aus Protest gegen das Schönheitsdiktat. Aber da war ich noch gar nicht geboren und wirklich durchgesetzt hat es sich danach ja nicht.

Dass jetzt wieder viele keinen BH tragen, finde ich total schön. Ich mag es einfach, wenn die Nippel durch das T-Shirt zu erkennen sind. Und anders als mit einem gepolsterten BH, in dem alle Brüste dieselbe, angeblich so perfekte runde Form haben, wird ohne einen BH klar, dass sie in Wirklichkeit ganz verschieden sind. Es gibt Brüste, die hängen, Brüste, die spitz zulaufen, Brüste mit kleinen Brustwarzen, Brüste mit großen Brustwarzen – und viele, viele mehr.

So locker wie heute habe ich das nicht immer gesehen. Als Jugendliche habe auch ich einen gepolsterten BH getragen, einfach weil alle es getan haben. Und ich erinnere mich noch, dass ich damals gesagt habe, ich würde niemals einen ungepolsterten tragen, weil man durch das bisschen Stoff ja alles durchsehen kann. Auch ich habe mir damals schöne große Brüste gewünscht. Doch irgendwann habe ich mich an meiner Mutter orientiert – die hat wie ich eher kleine Brüste und hat sie auch immer gerne gezeigt. Im Sommerurlaub zum Beispiel, wo sie am Strand oft oben ohne herumgelaufen ist.

Es geht auch ebenso gut ohne

Denn das Ding ist ja, dass ich mit Körbchengröße A eigentlich überhaupt keinen BH brauche. Okay, beim Sport ist ein wenig mehr Halt schon hilfreich, aber sonst geht es ebenso gut ohne – und das ist ein wichtiger Punkt. Denn es sind vor allem Frauen mit kleinen Brüsten, die ich jetzt ohne BH sehe. Für Frauen mit größeren hat er oftmals schon eine stützende Funktion und beugt Rückenschmerzen vor.

Und er schützt auch ein wenig vor dem Male Gaze, wie ich festgestellt habe, als ich schwanger war und ­größere Brüste bekam. Denn da hat es sich für mich plötzlich nicht mehr so gut angefühlt, ohne BH herumzu­laufen, weil meine Brüste mit einem Mal eine andere Rolle gespielt haben. Mit kleineren Brüsten ist es gefühlt gesell­schaftlich akzeptierter, keinen BH zu tragen, vielleicht weil sie mehr wie eine klassische männliche Brust ­aussehen und dadurch nicht so auffallen.

Die Form meiner Brüste hat sich durch die Schwangerschaft auch noch mal verändert. Damit muss ich erst mal zurechtkommen, aber das kriege ich auch noch hin. Da hilft es mir sogar, wenn ich mir sage: Ist mir egal, ich gehe trotzdem ohne BH raus. Dafür muss meine Brust nicht perfekt sein.

Vor allem: Was ist das überhaupt: perfekt?! Und warum ist das alles eigentlich so ein Ding? Bei all den Gedanken, die ich mir dazu gemacht habe: So richtig verstehe ich es immer noch nicht.“

Protokolliert von Anna Fastabend

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.