Leitung des Weltklimarats: So tickt der neue Chef des IPCC

Der Brite Jim Skea soll den Weltklimarat IPCC leiten. Er scheut sich nicht davor, an die Politik ranzutreten. Die soll schließlich verstehen und handeln.

Jim Skea, neuer Chef des Weltklimarats, schaut in die Kamera

Der Brite Jim Skea ist der neue Leiter des Weltklimarats IPCC Foto: Imperal College/dpa

CHIANG MAI taz | Er gilt als Goldstandard der Klimaforschung: der Weltklimarat IPCC. Das Gremium sammelt und gewichtet in seinen Berichten regelmäßig die bestehenden wissenschaftlichen Arbeiten zur Klimakrise, etabliert den Sachstand zu der Menschheitskatastrophe. Jetzt hat es einen neuen Chef: Jim Skea.

Der Brite ist nicht nur ein renommierter Wissenschaftler, er ist auch ein Urgestein des IPCC. Der 69-Jährige ist quasi seit Gründung des Rats im Jahr 1988 dabei und hat alle Positionen durchlaufen: „Ich denke, ich verstehe den IPCC von unten bis oben – in dieser Reihenfolge“, sagte Skea in einem Interview mit dem spanischen Klimamagazin Climatica.

Zuletzt war Skea acht Jahre lang Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe 3 des Weltklimarats. In der sitzen die Wissenschaftler:innen, die sich damit befassen, welche Strategien es zum Klimaschutz gibt. Skea spricht vom „Maschinenraum des IPCC. Dort, wo die eigentliche Arbeit getan wird.“

Jetzt ist Skea aber für das große Ganze verantwortlich. Seine Aufgabe ist es nun, den siebten großen Sachstandbericht des Weltklimarats auf die Beine zu stellen. Ungefähr alle sieben Jahre kommt so ein Sammelwerk heraus, das wirklich den gesamten Kenntnisstand der Menschheit zur Klimakrise abbilden soll: von den physikalischen Grundlagen über die Auswirkungen auf Menschen und Ökosysteme bis hin zu Problemlösungen.

Wie wird Wissenschaft „politikrelevant“?

Das wird mit den Jahren nicht einfacher. „Wir haben eine exponentiell wachsende Klimaliteratur, anspruchsvolle Verfahren und ständig steigende Erwartungen der politischen Entscheidungsträger“, sagte Skea. Die Länge der Berichte nimmt mit jeder Neufassung um gut ein Drittel zu. Der siebte dürfte daher weit über 3.000 Seiten haben.

Damit der Bericht „politikrelevant“ wird, will Skea ihn trotzdem besonders schnell fertig bekommen: bis 2028, wenn bei den UN-Klimaverhandlungen wieder ein besonders wichtiges Jahr haben. Dann soll zum zweiten Mal eine große Bestandsaufnahme im Rahmen des Pariser Weltklimaabkommens stattfinden, die zeigen soll, wo die Welt beim Klimaschutz steht. Das heißt aber auch: Skea und seinem Weltklimarat bleiben nur fünf Jahre.

Für Skea ist diese Wirkung in die Politik hinein ein persönliches Anliegen: „Manche Wissenschaftler bekommen ihren Kick durch den neuesten Artikel in Nature“, sagt er. „Ich habe meinen Spaß daran, wenn ich sehe, dass wissenschaftliche Erkenntnisse von Entscheidungsträgern aufgegriffen und genutzt werden.“

Hat er Angst, als Wissenschaftler zu politisch zu werden? „Es ist ein sehr delikates Unterfangen, denn es gibt keine scharfe Trennlinie zwischen Wissenschaft und Politik“, sagte Skea gegenüber dem Nachrichtendienst Geneva Solutions. „Obwohl wir absolut keine Politiker sind, wären wir dumm, wenn wir keine politischen Antennen hätten und nicht darüber nachdächten, wo die von uns erarbeiteten Botschaften ankommen und wie sie interpretiert werden.“

Das ist vielleicht eine notwendige Sicht für jemanden, der ein Gremium wie den Weltklimarat leitet. Der IPCC ist eine zwischenstaatliche Institution. Die Regierungen wählen zum Beispiel in ihrem Plenum den Vorstand des IPCC. Auch verhandeln sie darüber, wie die Zusammenfassungen der wissenschaftlichen Berichte formuliert sind. Die eigentliche wissenschaftliche Arbeit erledigen die For­sche­r:in­nen allerdings unter sich.

Damit der nächste Bericht wieder von allen Ländern mitgetragen wird, muss Skea auch darauf achten, dass die vielen hundert Autoren die Vielfalt der Welt abdecken. Der IPCC wurde in der Vergangenheit dafür kritisiert, dass die meisten Autoren Männer aus Industriestaaten sind. Danach gefragt, sagt Skea: „Ja, das ist ein Problem.“

Nur 30 Prozent der Autorenschaft sind Frauen, der Anteil stieg zuletzt nicht weiter. „In Bezug auf die Geschlechterverteilung haben wir anscheinend eine Obergrenze erreicht“, befürchtet Skea.

Und auch bei der Herkunft der Autoren sieht Skea weiteren Verbesserungsbedarf: „Wir haben große Fortschritte in Bezug auf die regionale Vielfalt gemacht. Aber es gibt noch Spielraum für Verbesserungen, vor allem bei der Förderung jüngerer Wissenschaftler aus Entwicklungsländern.“

Skea äußerte sich am Donnerstag, kurz nach seiner Wahl, skeptisch darüber, ob es noch gelingen könne, die Erderhitzung bei 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten zu begrenzen. Die Kernbotschaft der Weltklimarat-Berichte liegt aber für ihn woanders: „Eine unserer wichtigsten Botschaften war von Anfang an, dass der Mensch Einfluss darauf hat, was in der Zukunft geschehen kann.“

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