Keine Werbung für Fleisch mehr: „McDonald’s zeigt Veggie-Burger“

Das niederländische Haarlem verbietet Fleischwerbung auf öffentlichen Flächen. Lokalpolitikerin Ziggy Klazes hofft, dass andere Kommunen nachziehen.

Niederländische Küchenszene des Malers Peter Wtewael aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts: Fleisch war damals nicht verpönt

Küchenszene des Malers Peter Wtewael aus dem 17. Jahrhundert: Fleisch war damals nicht so verpönt

taz: Frau Klazes, an warmen Sommertagen werfen viele Leute gern ein Würstchen auf den Grill. Wie finden Sie das?

Ziggy Klazes (lacht): Wenn’s eine vegetarische Alternative ist, freue ich mich. Aber alles andere ist auch in Ordnung. Ich will niemandem verbieten, Fleisch zu essen. Nur tue ich es selbst nicht. Im Alter von elf Jahren wurde ich zur Vegetarierin, nachdem wir einen Schulausflug in einen Schlachthof gemacht hatten. Die Realität der industriellen Fleischverarbeitung war so grauenhaft, dass danach die ganze Klasse kein Fleisch mehr essen wollte. Andere fingen später wieder an – ich nicht.

Ziggy Klazes

58, ist Journalistin im holländischen Haarlem. Seit 2014 enga­­giert sie sich für die GroenLinks in der Kommunalpolitik.

War dieses Erlebnis der Grund, warum Sie Fleischwerbung in Haarlem verbieten?

Es gibt schon länger Organisationen, die sich dafür einsetzen, Werbung für Flüge und fossile Brennstoffe zu verbieten. Das machen wir auch. Gleichzeitig dachte ich mir: warum nicht zusätzlich Fleisch? Die Produktion ist schließlich genauso klimaschädlich. Jedes Jahr verdient unsere Kommune rund 600.000 Euro durch die Vermietung von Werbeflächen. Da wird alles Mögliche beworben, darunter auch Fleisch. Das passte für mich nicht zusammen: Wir bemühen uns als Stadt um Klimaschutz, verdienen aber an klimaschädlichen Produkten.

Was genau ist künftig verboten?

Unsere Regel betrifft Werbung auf städtischen Flächen, also zum Beispiel an Bushaltestellen oder Litfaßsäulen. Die Stadt arbeitet mit drei verschiedenen Werbefirmen zusammen, die sich darum kümmern. Die Verträge laufen nach und nach aus: einer im Jahr 2024, einer 2025 und einer 2030. Es kann also durchaus sein, dass Sie nächstes Jahr noch irgendwo einen Hamburger sehen.

Das heißt, Metzgereien, Supermärkte oder Restaurants dürfen in ihren Schaufenstern nach wie vor für ihre Steaks werben?

Genau. Ich wünschte, es wäre anders, aber als Kommune haben wir nun mal eine begrenzte Zuständigkeit. Trotzdem wollen wir nicht einfach alles verbieten. Auf unseren städtischen Flächen dürfen zum Beispiel Fleisch-Ersatzprodukte beworben werden. Plakate zum Beispiel von McDonald’s sind also weiterhin möglich. Nur zeigen diese dann einen Vegi-Burger oder eine andere Alternative.

Was kann ein solches Verbot in einer 160.000-Einwohner-Stadt global gesehen reißen?

Haben Sie mal in die Zeitung geschaut? Diese Story ist weltweit gelaufen, erst im britischen Guardian, später in unzähligen anderen internationalen Medien. Ich hätte nie gedacht, dass das so große Wellen schlägt. Eines Abends hat mich ein Radiosender aus Australien angerufen. Sogar ein Fernsehteam aus Russland war bei mir zu Besuch. Natürlich kann ich nicht abschätzen, welchen Effekt unser Verbot am Ende hat, aber es bringt die Leute zum Nachdenken – ob man die Idee nun gut findet oder nicht.

Ein Großteil der Werbung läuft doch heute eh über das Internet.

Ja, aber unsere Einschränkungen sind ein klares Statement. Wir werden sowieso schon ständig mit Werbung bombardiert. Wenn man dann auf der Straße zusätzlich noch mit billigen Hähnchenschenkeln konfrontiert wird, kriegt man natürlich irgendwann Appetit.

Wie sieht es mit Bio-Fleisch aus? Das stammt immerhin aus artgerechter Haltung.

Kann Fleisch überhaupt artgerecht sein? Am Ende ist das Tier jedenfalls tot. Aber die Frage ist natürlich trotzdem wichtig. Genau diese Dinge loten wir derzeit aus und konkretisieren sie. Langfristig wäre es sinnvoll, Werbung auf städtischen Flächen komplett abzuschaffen. Dann müssten wir nicht mehr fünf Jahre diskutieren, welche Ausnahmen es gibt. Aber so etwas geht nicht von heute auf morgen.

Viele Menschen halten Sie für radikal. Können Sie das verstehen?

Vor allem die Fleischindustrie fühlt sich durch unsere Initiative bedroht. Es ist doch verrückt: Die kleinen Niederlande sind der größte Fleischexporteur innerhalb Europas. Die Branche gibt Millionen für ihre Werbekampagnen aus. Plötzlich aber ist ein Werbeverbot weltweit in den Medien und bedroht damit ihren guten Ruf. Man fürchtet sich vor einem negativen Image. Manche hatten sogar damit gedroht, vor Gericht zu ziehen, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung bedroht sahen. Das ist bis jetzt aber nicht passiert, und es wäre auch absurd.

Sie hätten auch eine Aufklärungskampagne über die Folgen von zu viel Fleischkonsum starten können. Warum haben Sie sich für ein Verbot entschieden?

Wir machen im Grunde beides. Durch das Werbeverbot ist nicht nur Haarlem bekannt geworden, sondern viele Menschen setzen sich mit den Klimaschäden auseinander, die durch Massentierhaltung entstehen. Wir wollen auch in der Rathaus-Kantine veganes Essen zum Standard machen. Fleisch zu essen wird weiterhin möglich sein, aber man muss es als „special meal“ bestellen. Es wird also die Ausnahme, nicht die Regel – ebenfalls ein Signal nach außen.

Seit über einem Jahr protestieren niederländische Bauern gegen schärfere Umweltauflagen, teilweise mit sehr umfassenden Straßenblockaden. Spüren Sie diese aufgeheizte Stimmung auch?

Es gibt Landwirte, die mir schreiben, wie falsch ich doch läge. Einer leugnete den Klimawandel komplett, woraufhin ich ihm ein paar Berichte des Weltklimarats geschickt habe – die er wiederum für Unfug hielt. So ging es ein paar Mal hin und her; die Fronten sind wirklich verhärtet. Eine Zeit lang habe ich jeden Tag damit gerechnet, einen abgetrennten Schweinekopf vor der Haustür zu finden. Das ist zum Glück nicht passiert.

War der Widerstand gegen Ihre Pläne von Anfang an so groß?

Überhaupt nicht. Wir haben im Stadtrat diesen Beschluss schon im November 2021 gefasst. Die Mehrheit der Ratsmitglieder war dafür. Es gab nicht mal eine große Diskussion. Wir schaden damit ja auch niemandem, sondern lassen einfach nur alte Verträge auslaufen. Erst als internationale Medien das Thema aufgegriffen haben, fingen bei uns die Diskussionen an. Aber wie gesagt, diese Debatte ist an sich nichts Schlechtes. Gerade die positiven Reaktionen der jüngeren Generation geben mir Hoffnung. Ich sehe das bei meinen Kindern. Die trinken ganz selbstverständlich ihren Kaffee mit Hafermilch. (lacht) Aber klar, das ist meine persönliche Blase.

In Deutschland wird den Grünen oft vorgeworfen, eine „Verbotspartei“ zu sein. Geht Ihnen das in den Niederlanden auch so?

Verbotspartei – das Wort muss ich mir merken! Solche Vorwürfe gibt es natürlich auch bei uns. Aber was sollen wir machen? Es ist nun mal erwiesenermaßen besser, weniger Auto zu fahren und weniger Fleisch zu essen. Gerade Liberale wollen sich nicht einschränken lassen. Dabei muss man sich schon fragen, wie frei man wirklich ist in einer Gesellschaft, die einen tagtäglich mit Werbung konfrontiert. Weltweit werden fast 800 Milliarden Euro pro Jahr für Werbung ausgegeben – das würde niemand machen, wenn es keinen Effekt hätte.

Welche weiteren Pläne haben Sie in Haarlem, was den Umwelt- und Klimaschutz anbelangt?

Viele Bäume pflanzen, Parkraum einschränken und die Gebühren für Anwohnerparkplätze erhöhen. Die Proteste dagegen fangen schon an.

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