Finanzsystem und Klimakrise: Wann kommt der Klima-Finanzcrash?

Klima-Experten warnen vor einer neuen Wirtschaftskrise durch die Erderhitzung. Die ökonomischen Modelle würden die Lage unterschätzen.

Verheerende Überschwemmungen wie vor einem Jahr in der Provinz Baluchistan erlebt Pakistan regelmäßig

Verheerende Überschwemmungen wie vor einem Jahr in Baluchistan erlebt Pakistan inzwischen regelmäßig Foto: Fareed Khan/ap

BANGKOK taz | Im Jahr 2018 erhielt der US-Ökonom William Nordhaus den Wirtschaftsnobelpreis. Diesen hatte er sich in den Augen des Preiskomitees verdient, weil „er Modelle konstruiert hat, die erklären, wie die Marktwirtschaft mit der Natur interagiert“. Konkret geht es um ein Modell, das zeigt, wie groß die wirtschaftlichen Schäden infolge der Klimaerwärmung sein werden. Das Komitee führte weiter aus: „Nordhaus Modell ist inzwischen weit verbreitet und wird verwendet, um zu simulieren, wie sich die Wirtschaft und das Klima gemeinsam entwickeln.“ Bei der weiteren Verbreitung vom Nordhaus-Modell dürfte seither nicht zuletzt der Nobelpreis geholfen haben, sodass heute nahezu alle Finanzmarktakteure von Beratern über Banken bis zu Regulierungsbehörden mit dem Modell von Nordhaus oder ähnlichen Modellen arbeiten.

Ein Problem gibt es dabei aber: Diese Modelle scheinen die Schäden, die die Klimakrise mit sich bringen könnte, immer noch massiv zu unterschätzen. Dabei liefern auch sie schon keine optimistischen Ergebnisse. „Eine Erwärmung von rund vier Grad kann bis 2100 zu einem Rückgang des jährlichen globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 10 bis 23 Prozent führen im Vergleich zum globalen BIP ohne Erwärmung“, schrieb der Weltklimarat IPCC nach einer Auswertung der relevanten Studien zu den üblichen Modellen.

Der britische Thinktank Carbon Tracker warnt nun: Die Annahmen in diesen Modellen würden nicht mehr dem Stand der Klimawissenschaften entsprechen: „Forschungsergebnisse der Klimawissenschaftler deuten darauf hin, dass die Auswirkungen eines Anstiegs um drei Grad (oder noch weniger) ‚katastrophal‘ sein könnten und dass bereits bei einer Erwärmung um ein Grad Kipppunkte des Klimas erreicht werden könnten.“

Die ökonomischen Modelle haben denn auch mehrere Schwachpunkte: Sie gehen davon aus, dass heutige Einkommensunterschiede zwischen Ländern mit unterschiedlichen Temperaturen zeigen, wie sich die Wirtschaftsleistung bei zusätzlicher Erwärmung verändern wird. Der Zusammenhang ist allerdings schwach. Das tropische Singapur hat etwa das gleiche Pro-Kopf-BIP wie Island, und die Dominikanische Republik, die sich mit Haiti eine Insel teilt, hat ein sehr viel höheres Pro-Kopf-BIP als das Nachbarland. Dem Klimaökonomen Richard Tol ist die Herangehensweise seiner Kollegen deshalb zu stark vereinfachend: „Das Klima ist nicht der Hauptfaktor für das Einkommen.“

Dürren und ihre Folgen sind nicht eingepreist

Dass die Modelle sich zu stark auf die Temperatur fokussieren, zeigt sich auch noch in anderer Hinsicht. Die Klimakrise hat schließlich noch andere zerstörerische Folgen. Der Einfluss des Klimas auf Niederschläge wird aber oft nicht berücksichtigt. Dürren und ihre Folgen sind daher nicht „eingepreist“. Dasselbe gilt für Kipppunkte. In den ökonomischen Modellen hängt die Höhe der Schäden allein von der Erwärmung ab. Dass Kipppunkte erreicht werden könnten, bei denen die Schäden sprunghaft zunehmen, bleibt unberücksichtigt.

Trotzdem wurden die Modelle alle in angesehenen Wissenschaftsmagazinen veröffentlicht. Der Grund dafür ist simpel: Studien von Ökonomen werden nur von anderen Ökonomen begutachtet und nicht von Klimawissenschaftlern. Doch genau diese Studien dienen dann Finanzmarktakteuren für ihre Berechnungen.

Unsinnige Prognosen

Das Financial Stabilty Board, dem alle G20-Staaten angehören, geht etwa davon aus, dass vier Grad Erwärmung nur zu einem Rückgang der Börsenkurse um drei bis zehn Prozent führen. Solche Prognosen dienen dann Beratern für institutionelle Anleger wie der US-Firma Mercer wiederum für ihre Berechnungen. Deren Kunden bekommen dann folgenden Rat, wenn sie nach den Klimafolgen für ihre Portfolios fragen: „Ein 2-Grad-Szenario könnte Renditevorteile für Aktien aus Schwellenländern, Infrastruktur, Immobilien, Holz und Landwirtschaft bringen. Das 2-Grad-Szenario hat für langfristig diversifizierte Anleger auf Gesamtportfolioebene über den modellierten Zeitraum (bis 2050) keine negativen Auswirkungen auf die Rendite.“

Die offensichtlich unsinnigen Prognosen der ökonomischen Modelle finden so Eingang in die Entscheidungsprozesse von vielen, auch großen Finanzmarktakteuren und spiegeln sich schließlich in den Börsenkursen wider. Carbon Tracker schreibt daher: „Es besteht wahrscheinlich eine große Diskrepanz zwischen den aktuellen Kursen – den falschen Erwartungen an künftige Schäden, die sie beinhalten – und den tatsächlichen Auswirkungen der globalen Erwärmung.“

Der Thinktank befürchtet daher einen „Minsky Moment“. Zu einem solchen kam es etwa im Jahr 2008, als mit einem Mal die Erkenntnis auf den Märkten einschlug, dass die US-Ramsch-Hypotheken tatsächlich keine werthaltigen Anlagen waren. Die Folge war die Weltfinanzkrise. Etwas Ähnliches könnte nun wegen des Klimawandels passieren.

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