Genveränderte Malaria-Mücken: Genetisch unschädlich

Ließe sich die DNA von Mücken so verändern, dass diese kein Malaria mehr übertragen? Ein internationales Forschungsinstitut arbeitet daran.

Malariamücken auf einem Moskitonetz

Mücken auf einem Moskitonetz in Nairobi, Kenia Foto: Stephen Morrison/epa

Hierzulande sind Mückenstiche vor allem nervig – in anderen Teilen der Welt können sie tödlich sein. Vor allem in Afrika ist der Malariaerreger, der von weiblichen Stechmücken übertragen wird, weit verbreitet. Im Jahr 2020 sind 600.000 Menschen an Malaria gestorben. Allein in Uganda gab es 2021 schätzungsweise mehr als 13 Millionen Malariafälle und fast 20.000 Todesopfer.

„Wir sind in keiner guten Lage“, sagt Jonathan Kayondo im Interview mit der taz. Er ist Insektenforscher am Uganda Virus Research Institute. „In Afrika insgesamt sieht es sehr schlecht aus – ein großer Teil unserer Bevölkerung ist betroffen. Wir sind sehr daran interessiert, dass mehr passiert“, sagt er. Das Ziel seiner Forschung: Er will Mücken genetisch so verändern, dass sie Malaria kaum noch übertragen können.

Grundlage dafür ist die Genschere Crispr. Diese „Schere“ besteht aus zwei Teilen: Die sogenannte Guide-RNA sucht und findet die zu verändernde DNA. Ein anderer Bestandteil, das Protein Cas, nimmt den Schnitt vor. Daraufhin versucht der Körper, die beschädigte Stelle wieder zu reparieren. An diesem Punkt können Forschende Merkmale einbauen oder entfernen.

Inzwischen gibt es dank Crispr sogar schon erste Gentherapien für ehemals unheilbare Krankheiten. Eine ähnliche Methode kann für Moskitos verwendet werden, damit Malaria nicht mehr so gut auf den Menschen übertragen werden kann. Natürlich ist es aussichtslos, an der Biologie jeder einzelnen Mücke herumzuschrauben. Stattdessen sollen sich die neuen genetischen Merkmale ganz automatisch verbreiten.

Wis­sen­schaft­le­r:in­nen bauen Gene Drives selber

Normalerweise besteht bei jedem Gen nur eine 50:50-Chance, dass es vererbt wird. In der Natur kommen aber auch Gene vor, die sich mit höherer Wahrscheinlichkeit vererben, sogenannte Gene Drives. Diese können Wis­sen­schaft­le­r:in­nen mittlerweile selbst bauen. Und genau damit beschäftigt sich die Organisation Target Malaria, deren Standort in Uganda Jonathan Kayondo leitet. Der Zusammenschluss von Forschenden sucht seit Jahren nach Methoden, Gene Drives zur Bekämpfung von Malaria zu nutzen.

Eine davon geht so: Der Gene Drive wird als ein Paket von genetischen Instruktionen im Labor in das Erbgut von männlichen Mücken eingebracht. Wenn sich eine solche Mücke in der Wildnis paart, werden die Instruktionen für den Nachwuchs in einem bestimmten Moment quasi angeschaltet: Sie starten ein Programm, das die noch unmodifizierte DNA-Kopie der wilden weiblichen Mücke an genau der Stelle beschädigt, wo auf der modifizierten DNA-Kopie des Männchens das Gene-Drive-Paket sitzt. Das bringt die Zelle dazu, von der unbeschädigten, modifizierten Kopie des Vaters „abzuschreiben“, um den Schaden zu reparieren.

In der nächsten Generation ist damit garantiert, dass die väterliche Hälfte der DNA das Gene-Drive-Paket enthält, unabhängig davon, wie sie mit der mütterlichen kombiniert wird. Die beschädigte und überschriebene Stelle bewirkt bei männlichen Nachkommen nichts, aber weibliche können ohne sie nicht mehr stechen. Somit können sie auch keine Nachkommen mehr erzeugen, denn weibliche Moskitos benötigen Bestandteile aus dem Blut für die Fortpflanzung.

Die veränderten Gene könnten sich von selbst verbreiten

Zusätzlich kommt eine beschleunigende zweite Instruktion des Gene-Drive-Pakets ins Spiel: Das X-Chromosom wird während der Sperma-Herstellung quasi „geschreddert“, man spricht auch von „X-shredding“. Somit gibt es fast nur männliche Nachkommen, die kein Malaria übertragen und das Gene-Drive-Paket weiterverbreiten.

„Irgendwann sind es dann so wenige, dass die Übertragung unterbrochen ist“, sagt Jonathan Kayondo. Mathematische Modelle lassen vermuten, wie viele genetisch veränderte Moskitos ausgesetzt werden müssen, um dies zu erreichen: Bei einer Population von 100.000 Mücken würde es wahrscheinlich ausreichen, 1.000 veränderte Moskitos auf sie loszulassen. Dann würde es etwa ein Jahr dauern, bis die Gene der Population verändert wären und die Malaria-Übertragung extrem reduziert wäre.

In einem anderen Modell haben Forschende einen Blick auf ein ganzes Land geworfen: Würden in einem Prozent der Dörfer in Burkina Faso über vier Jahre lang Moskitos mit Gene Drives ausgesetzt werden, würde sich die Zahl der Malaria übertragenden Moskitos um 95 Prozent reduzieren. Auch benachbarte Populationen könnten mit der Genmanipulation angesteckt werden.

In jedem Ökosystem muss neu getestet werden

Doch wie reagieren Ökosysteme auf die genveränderte Art? Das „Target Malaria“-Team in Ghana sucht darauf seit 2018 Antworten. Bei ihrer Forschung konzentrieren sie sich auf die für die Malaria-Übertragung wichtigste Moskito-Spezies, die Ano­pheles gambiae. Mücken sind Teil der Nahrung von bestimmten Vögeln, Spinnen und Fledermäusen. Für die Studie untersuchen die Forschenden unter anderem den Mageninhalt und die Fäkalien dieser Tiere.

Ihre bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die Spezies keine „Schlüsselkomponente“ in Nahrungsketten ist. Nur bei einer sehr lokal vorkommenden Spinnenart macht die Mücke den Großteil der Nahrung aus. Ansonsten wird sie von Tieren gejagt, die das Wegfallen der Moskitos gut kompensieren könnten. Es wäre für Ökosysteme also vermutlich nicht so schlimm, würde die Population der Mückenspezies abnehmen.

Die Studie führen die Forschenden absichtlich in Ghana durch, weil das Land ein „typisches“ Umfeld für die Moskito-Spezies ist. Allerdings unterscheiden sich die Malaria-Gebiete weltweit; in jedem von ihnen müssten die Auswirkungen auf das Ökosystem potenziell neu evaluiert werden.

Weniger Mücken haben Folgen für das Ökosystem

Der US-amerikanische Biologe Kevin Esvelt betont die Dringlichkeit des Gesundheitsproblems. „Wenn meine Kinder in Afrika leben würden und gefährdet wären, würde ich sagen: Macht es sofort! Selbst wenn jede negative ökologische Folge auftreten könnte, die alle Experten, mit denen ich gesprochen habe, in ihren wildesten Spekulationen geäußert haben – selbst dann wäre das längst nicht so schlimm wie die aktuellen Folgen von Malaria“, sagt er der taz. Der Forscher war vor einem Jahrzehnt maßgeblich an der Entdeckung der Gene Drives beteiligt und beschäftigt sich seit Jahren mit potenziellen Gefahren von Biotechnologien.

Gefährlich kann es laut ihm etwa werden, wenn die Technologie zunächst zwar dazu führt, dass weniger Malaria übertragen wird, die Krankheit aber wieder zurückkehrt – zum Beispiel wegen fehlender Kooperation einer lokalen Regierung. Dann wäre die Immunität der Bevölkerung viel schwächer, da weniger Menschen Malaria ausgesetzt waren. Die Krankheit könnte somit noch gefährlicher werden.

Unter anderem aufgrund solcher Gefahren müssen die Betroffenen unbedingt mitreden, wie die WHO, Jonathan Kayondo und Kevin Esvelt betonen. „Wenn mein Labor ein neues Medikament entwickelt, es zugelassen wird, Ihr Arzt es Ihnen empfiehlt – dann können Sie 'Nein’ sagen“, sagt der Biologe Esvelt. „Wenn wir eine Ökotechnologie entwickeln, die Ihre Umwelt verändert; selbst wenn es eine Abstimmung dazu gibt: Sie stimmen dagegen, sind aber in der Minderheit. Dann gibt es keine Möglichkeit mehr, sich dem zu entziehen.“ Für ihn bedeutet das vor allem, dass die Forschung von Anfang an transparent sein muss.

Esvelt sagt, dass wir auch für Entscheidungen verantwortlich sind, die wir nicht treffen. „Seit wir dieses Gespräch begonnen haben, sind sieben Kinder an Malaria gestorben“, sagt er nach wenigen Minuten im Interview. „Wir sind es nicht gewohnt, über die Konsequenzen von nicht getätigten Handlungen nachzudenken, wir denken immer nur an die unerwünschten Nebeneffekte von den Dingen, die wir tatsächlich tun. Aber: Wenn Sie die Macht haben, etwas zu tun und es nicht tun, sind Sie genauso verantwortlich für die Konsequenzen.“

In Deutschland ist man skeptisch

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Wer genau die Entscheidung für welche Region am Ende treffen wird, ist noch unklar. Zahlreiche Akteure treffen sich dazu seit Jahren immer wieder. Beteiligt sind neben der WHO auch Institutionen der Afrikanischen Union, ein Zusammenschluss 55 afrikanischer Staaten. Verhindert werden sollen Alleingänge; Gene Drives kennen schließlich keine Ländergrenzen.

In Deutschland wurde im Mai 2022 die Petition „Stop Gene ­Drives“ mit 290.000 Unterschriften, initiiert von 239 NGOs, an Bundesumweltministerin Steffi Lemke übergeben. Als Kayondo auf die in Europa ausgeprägte Skepsis gegenüber genetischen Veränderungen angesprochen wird, lächelt er: „Ich verstehe, wo diese Sorgen herkommen. Aber die Skeptiker betrachten das Problem aus einer Position des Privilegs, und nicht nur das: Sie haben viel mehr Ressourcen, die sie auf solche Probleme lenken können.“

Um die Gefahr durch Malaria zu bannen, braucht es eigentlich mehrere Maßnahmen zugleich. Die Verbreitung von Moskitonetzen in der Bevölkerung zum Beispiel, die als eine der wirksamsten Maßnahmen zählt. Seit 2019 gibt es zudem eine Impfung gegen Malaria, die allerdings nur zu etwa 35 Prozent effektiv ist und drei bis vier Impfdosen benötigt. In Ghana wurde im April sogar ein Impfstoff zugelassen, der 77 Prozent Schutz bieten soll.

Im Gegensatz zur genveränderten Mücke verbreitet sich die Impfdosis aber nicht von selbst. Es bräuchte überall ausreichend Impfstoff und medizinisches Personal, das sie verabreicht. Insbesondere in den ländlichen Regionen Afrikas ist das oft nur schwer leistbar.

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