Pro Klimastreik: Die Fridays machen es richtig

Die FFF-Erfolge zeigen: Für mehr Klimapolitik braucht es Druck und Kreativität. Die Brechstangen-Methode der Letzten Generation spaltet nur.

2 junge Frauen mit aufgerissenen Mündern und ein Megafon in einer Demonstrationsreihe

Schülerinnen bei einer Fridays-for-Future-Demonstration in Berlin 2022 Foto: Stefan Boness/Ipon

Die Fridays sind nötiger als je zuvor. Keine Frage: Für eine einigermaßen glimpfliche Beschränkung der globalen Klimakrise braucht es eine Revolution. Besser: Viele Revolutionen. Für fossilfreie Gebäude, für einen Netto-null-Verkehr, für 100 Prozent Ökostrom, für eine saubere Industrie und für eine naturnahe Landwirtschaft. Der deutsche Anteil an der notwendigen weltweiten Halbierung der Emissionen muss groß sein und wachsen.

Wie schafft man diese Revolution? Nach dem letzten halben Jahr ist klar: Sicher nicht mit der Brechstange. Sondern mit Druck, zivilem Ungehorsam, Kreativität und Kooperation. Und das heißt: Die Strategie der Letzten Generation, Veränderung durch friedliche, aber maximale Konfrontation zu erreichen, geht in Deutschland nicht auf. Die Fridays mit ihrem kooperativen Stil bringen die Klimapolitik viel eher voran.

Die Forderungen der Letzten Generation klingen gut: Ein kompletter fossiler Ausstieg bis 2030 wäre vielleicht technisch machbar und unter großen Schmerzen sogar eventuell finanzierbar. Aber politisch? Kaum durchsetzbar. So sehr manche davon träumen: Diese Art von Klimarevolution findet in Deutschland nicht statt. Klimapolitik mit der Brechstange ist im Land der politischen Ängstlichkeit und des Zwangs zum Konsens nicht mehrheitsfähig.

Siehe das „Gebäudeenergiegesetz“. Es hatte Mängel in Struktur und Kommunikation, die seine Diffamierung als „Heiz-Hammer“ erleichterten. Nun hat es Klimaminister Robert Habeck seinen Ruf als grüner Überflieger und auch noch Patrick Graichen gekostet, seinen besten Mann für die Energiewende.

Unterstützung für Klimabewegung halbiert

Gleichzeitig scheiterte das Berliner Klima-Volksbegehren im März mit seiner radikalen Forderung nach netto null 2030 daran, dass nicht genügend Menschen zur Abstimmung gingen. Indes hat sich die Unterstützung für die deutsche Klimabewegung laut einer repräsentativen Umfrage zwischen 2021 und 2023 von 68 auf 34 Prozent halbiert. Grund dafür sind vor allem die Blockadeaktionen der „Letzten Generation“. Dabei findet immer noch eine Mehrheit Klimaschutz wichtig.

Der Vertrauensschwund in die Klimabewegung ist ein Alarmzeichen. Denn der Erfolg der Fridays bestand genau darin: Bewusstsein und Bereitschaft für Veränderungen in der Klima­krise zu schaffen – bis weit in viele Bereiche der Gesellschaft hinein. Das hat Wahlen beeinflusst, erfolgreiche Klagen angestoßen, Deutschland ein gutes Klimaschutzgesetz beschert und den Green Deal auf EU-Ebene unterstützt.

Die Notwendigkeit von disruptivem Wandel ist zwar da, trifft jedoch 2023 auf eine erschöpfte Gesellschaft

Statt diesem übergreifenden Ansatz richtet sich die Strategie der Letzten Generation auf maximalen Druck, mediale Aufmerksamkeit und großen Ärger. Aus dieser Situation von Genervtheit und Aggression heraus, so das Kalkül, soll die Regierung einschneidende Maßnahmen treffen. Diese Strategie ist falsch. Einerseits ist für die Änderung von Gesetzen das Parlament zuständig. Außerdem lässt sich keine Regierung gern erpressen. Vor allem aber verkennt sie, aus welchen Gründen heraus tiefgreifender Wandel möglich ist – auch und vor allem der radikale und disruptive Wandel, der für eine Bewältigung der Klimakrise nötig ist.

Menschen ändern sich nur ungern, wenn sie dazu gezwungen werden. Und die Notwendigkeit von disruptivem Wandel ist zwar da, trifft jedoch 2023 auf eine erschöpfte Gesellschaft. Viele Menschen haben die Nase voll von grundstürzenden Veränderungen ihrer Lebenswelt: Corona, Krieg und Inflation verunsichern die Leute schon genug. Wer (inhaltlich zu Recht) fordert, alles Fossile sofort über Bord zu werfen, verkennt die gesellschaftlichen Realitäten.

Fordern und gleichzeitig die Leute mitnehmen

Die Klimabewegung steckt im Dilemma: zu Recht radikales und sofortiges Umsteuern zu fordern und gleichzeitig die Leute mitzunehmen. Aber gerade weil die Situation so brenzlig und Handeln so dringend ist, darf keine Zeit mit vermeidbarer Konfrontation verloren werden.

Die Klimabewegung muss eine kluge Strategie finden, ihre Lieblingsfeinde einzubinden: AutofahrerInnen, die FDPCDUCSU, die Industrie, die Landwirte – keiner von ihnen konnte es sich auf dem Höhepunkt der Fridays leisten, die Forderungen der eigenen Kinder am Frühstückstisch zu ignorieren.

Wie gehen Soziales und Klimaschutz zusammen? Welche Chancen für ein angenehmeres und gesünderes Leben stecken in autoarmen Schwammstädten? Warum geben wir Milliardensubventionen an Klimakiller, wenn der Staat bei der Kindergrundsicherung spart? Fragen, bei denen die Fridays mit ihren Vernetzungen in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft ein wichtiges Wort mitreden können – und das auch sollten.

Die Brechstange wird gebraucht. Aber man darf sie nicht gegen die Menschen einsetzen. Sondern muss sie nehmen, um die fossilen Strukturen aufzuknacken.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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